Freitag, 17. Juli 2009

Deutscher Strandard

Am Strand hat man ja meist nur wenig an; also kann man beim Outfit auch nicht viel falsch machen.



Der obige Satz ist so falsch, dass es beinahe körperliche Schmerzen bereitet, ihn zu tippen. Der einzige Grund, aus dem ich ihn schreibe, ist, dass ihn tausende Deutsche ganz offenbar denken, bevor sie sommers an die Küsten aufbrechen.

Gestern bin ich gemeinsam mit L. und B. ebenfalls ans Meer gepilgert. Der Zweck des Kurztrips war Entspannung; diese fällt jedoch schwer, wenn man die bisweilen schon verstörenden Unzulänglichkeiten seiner Mitmenschen ohne Umschweife geradezu ins Gesicht gepresst bekommt. Ich will keinesfalls sagen, dass Schönheitsfehler etwas Schlimmes sind. Doch wer mit Mitte siebzig noch immer glaubt, möglichst viel Haut (die meist an eine gut patinierte Belstaff-Lederjacke erinnert) der Sonne entgegenstrecken zu müssen und lediglich den engstausgelegtesten Begriff von "Intimbereich" mit Stoff zu bedecken, der irrt.
Selbiges gilt ebenfalls für Damen und Herren, deren Waage ein dreistelliges Ergebnis (VOR dem Komma) anzeigt. Streifenfreie Bräune gut und schön, aber, bei allem Respekt: niemand will einen blanken Busen sehen, der beim Baden im Meer schon nass wird, bevor der Wasserspiegel den Bauchnabel erreicht hat. Für diejenigen unter uns, denen dieser Anblick oder der von "ruf-mich-an-und-frag-nach-Oma" doch zusagt, gibt es einschlägige Seiten im Internet, die doch bitte auch genutzt werden mögen.


Meinen Geschlechtsgenossen hingegen möchte ich für einen gelungenen Strandaufenthalt einige Stichworte mit auf den Weg geben: 1. Wachsstreifen, 2. No-Speedo, 3. Gym.

1.
"Der Bär dort greift das Kind an!", war mein erster Gedanke, als B. mich auf einen, nun ja, korpulenten Herren mittleren Alters aufmerksam machte, der in einer sehr knappen Badehose (dazu kommen wir gleich noch) auf dem Steg seine -mutmaßliche- Tochter zum Wasser führte. Auf seinem gesamten Oberkörper wuchs ein Fell, welches John Galliano für sämtliche Pelzoutfit seiner Damen-Winterkollektion hätte benutzen können. Als der Bär sich dann ins Wasser hinabließ, wogte das Haar sanft wie Seegras hinter ihm her. Ich war froh, dass er nicht in meine Nähe schwamm; ich hätte Angst gehabt, mich darin zu verfangen. Über den ästhetischen Anspruch muss man nicht streiten.

2.
Alle Männermagazine predigen immer wieder, die Finger von Surfershorts zu lassen und doch lieber knappere Modelle zu wählen. Ich bezweifle, dass die hier angesprochenen Männer ihre Speedos aufgrund dieser Artikel zum Strand anziehen, doch es sei gesagt, dass alles, was knapper oder genauso knapp sitzt wie Badebriefs, höchstens von Leuten wie dem italienischen Schwimmteam getragen werden sollte - man beachte die neueste Anzeigenkampagne von Dolce&Gabbana.


(c) Dolce & Gabbana, 2009 (jaja, ich bin Jurist.)


Grundsätzlich gilt, dass bei zunehmendem Alter auch die Menge des getragenen Stoffes zunehmen sollte. Kurze Badeshorts, die bis knapp über das Knie reichen, gehen auch bei älteren Jahrgängen und halten meine Phantasie davon ab, sich gruslige Details auszumalen - beziehungsweise entblößen diese Details, im Gegensatz zum deutsche-Bademeister-Modell, nicht.

Schienenbeinlange Surfer-Shorts sind ohne Surfbrett in der Nähe, sowie bei einem Alter beginnend mit einer höheren Zahl als "2", ein Unding. Alle mit dem passenden Alter mögen bitte auch den Punkt mit dem Surfbrett beachten.

3.
Fettschürze. Das Wort an sich klingt schon unschön; wenn man Ratespiele veranstalten kann, ob unter dem Bauch noch eine Badehose verborgen ist oder nicht (die Auflösung bekommt man von hinten), sollte DRINGEND ein gewisses Trainingspensum erfüllt werden, um Abhilfe zu schaffen. Joggen gehen oder, ich mag es kaum glauben, dass ich das tatsächlich schreibe, nordic walken gehen kann doch wohl jeder.


"Das ist doch nicht nur bei uns so, dass gibt es überall auf der Welt", mag der erboste, alte, dicke, nackte Deutsche jetzt ob meiner Überschrift zu diesem Post denken. Leider falsch. Im Ausland treten die von mir beschriebenen Gräuel zwar ebenfalls auf, doch wenn man dem Geplauder der so an- (bzw. aus-)gezogenen Leute lauscht, dann dringt beinahe immer das germanische Idiom an das Ohr des Zuhörers. Deutsche im Urlaub, so lautet das Stichwort.
Ich habe es bisher noch nicht nach Brasilien geschafft, doch man munkelt, dass dort ein anderer "Strand-Style" herrscht. Dieser behandelt die Nacktheit zwar anders als ich hier in meiner Niederschrift. Doch die Leute dort können es sich offenbar auch erlauben. Ich jedenfalls werde nun noch ein wenig für den Sommerurlaub mit B. trainieren. Und mal recherchieren, was eigentlich so ein Privatstrand kostet.


Dorian Gray:
- hat seit seinem Gozo-Urlaub ein Seeigel-Trauma
- freut sich, dass auch "Anonyme" mittlerweile den Blog lesen und kommentieren
- möchte Chuck Bass' Kleiderschrank ausrauben

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