Samstag, 9. Oktober 2010

Das Tier an ihr

Die Sonne meinte es heute gut mit dem herbstlichen Hamburg und der Autor dieser Zeilen nutzte das fantastische Wetter, um seine neuen orangefarbenen Socken und seinen alten, wieder in Form gebrachten karamellbraunen Pullover auszuführen. Es sei erwähnt, dass Erstere erstaunlich häufig Stimmen der Intoleranz heraufbeschworen; doch die Meinung Ed-Hardy-tragender Prekariats-Touristen ist - um es beschönigt zu sagen - in etwa so bedeutend wie der Beitrag von "Popstars" zur musikalischen Kulturlandschaft.

Das gute Wetter dieser Tage kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Herbst in der Stadt Einzug gehalten hat und die Temperatur rapide sinkt. Die Hamburger ziehen wieder mehr an - und haben damit auch mehr Gelegenheiten, ihre Outfits zu verunstalten.

Den modischen Tiefpunkt setzt hierbei - vorerst - die Damenwelt. Nicht generell, nein, ein ganz bestimmtes Kleidungsstück verleidet mir die goldene Jahreszeit. Ich habe nicht wahrhaben wollen, dass SIE zurück ist; habe die "InStyle" verlacht, als sie IHR eine Modeseite widmete. Doch der heutige Tag hat gezeigt, dass die Ugg Boots harte Konkurrenz im Kampf um den Titel "meistverunstaltende Ausgeburt der Mode" bekommen: die Fellweste ist wieder da.

Quelle: www.usmagazine.com

Es ist generell eine schwierige Sache, Fell (oder Fake Fur) zu tragen; doch warum möchte man aussehen, als sei man in den verstümmelten Kadaver von Bruno dem Problembären geschlüpft? Ladies, wenn unsere Liebschaft Brustbehaarung tragen sollte, dann wären wir mit Sean Connery zusammen. Zudem sei allen Damen, die unzufrieden mit ihrer Figur sind (und welche Frau ist das an schlechten Tagen nicht...?) nochmals gesagt, was eigentlich offensichtlich sein sollte: ja, eine mehrere Zentimeter dicke Fellschicht trägt auf. Je nach Länge der Weste gewinnen entweder der Bauch oder die Hüften an Umfang. Für den Brustbereich gilt dies aufgrund der unsäglichen Schnitte indes nicht. Und um abschließend noch dem - auch gerne zur Rechtfertigung von Jogginghosen angeführten - Kuschel-Wohlfühl-Faktor entgegenzuwirken: schon mal Cashmere getragen? Ist noch viel weicher. Und das Spendertier muss nicht gleich umgebracht werden, um an sein Fell zu gelangen.

Nach fünf oder sechs Westen auf offener Straße zog ich mich jedenfalls erst einmal ins Alsterhaus zurück - dort fand heute ein Whisky Tasting statt. Ein gutes Glas Caol Ila beruhigt - und wärmt stilvoller und gleichzeitig dezenter als jede Weste: von innen.


Dorian Gray:
- sollte sich abgewöhnen, Samstags in die hoffnungslos überfüllte Innenstadt zu fahren
- sucht ungeduldig das passende Hemd zu seiner neuen Kragennadel
- will noch heute die "Mad Men"-DVD erwerben

Freitag, 10. September 2010

Scarf-face

Am letzten Wochenende habe ich mit L. Hamburgs infrastrukturelles Armutszeugnis, die Hafen City, besucht. Bei einem Kaffee unter freiem Himmel genossen wir den Blick auf die Gummistiefel-Pilger der Elbphilharmonie-Bauruine und ich fragte mich einmal mehr, weshalb Menschen sich freiwillig mit quietschgelben Kunststoff-Tretern erniedrigen, nur um eine schnöde Baustelle zu besichtigen. Dann fielen mir wieder Crocs ein und ich wurde leicht depressiv. Doch die Sonne schien, ostdeutsche Touristen erheiterten mich mit ihrem Akzent und meine Stimmung hellte sich schnell wieder auf - bis ER das Café betrat.

"Er" war ein Vertreter der Gattung Millenium-Holländer. Jeder meiner geneigten Leser, der in den frühen 2000er-Jahren Kontakt zu einem männlichen holländischen Mitbürger zwischen 13 und 30 Jahren hatte, kennt die charakteristischen Merkmale dieses Typs. Dazu gehören ein körperbetontenes, hässliches Hemd (gern gemustert oder strukturell fragwürdig), aus der Hose hängend; kinnlange, glatte blonde Haare à la Florian Fischer - dem Manager und Bettgespielen von Sarah Connor - und, das wichtigste Accessoire: eine sportliche (also hässliche) Sonnenbrille, die allerdings nicht die Augen vor UV-Strahlung schützt, sondern ausschließlich als Haarreif dient.

Für gewöhnlich sehe ich über derlei Geschmacklosigkeiten hinweg und widme ihnen keine weiteren Worte. Doch am Hals dieses Mannes befand sich das entscheidende Stück Stoff, welches in mir den Wunsch weckte, auf der benachbarten Baustelle einige Werkzeuge zu entwenden und neue Foltermethoden zu entwickeln. Er trug einen Sommerschal.


Man möge mich nicht falsch verstehen, ich spreche nicht von der Unart, sich im Sommer in dicke Schals zu wickeln und womöglich noch eine, dem Aussehen nach selbstgehäkelte, unförmige Wollmütze zu tragen, um die coole Lässigkeit weiter zu verkörpern, die schon im Winter keiner verstanden hat. Nein, ich meine diese hauchdünnen, im Farbton gern zwischen nikotinvergilbt und hotelbettmatratzenverfärbt liegenden Großmutter-Gardinen, welche der geschmacklose Mann von Welt sich entweder kunstvoll auf die Schultern drapiert, oder mit einer Schlinge um den Hals legt, um die Tatsache zu verdecken, dass in seinem zu weit aufgeknöpften Hemdkragen kein einziges Brusthaar wächst. Um seine Hässlichkeit zu unterstreichen, bedient der Sommerschal sich einer verknitterten Optik, die wirkt, als hätte er jahrelang in dem Spalt zwischen Kleiderschrank und Wand gelegen.

Der Sommerschal hat absolut keinen praktischen Nutzen, denn eine wärmende Funktion spreche ich diesem beinahe durchsichtigen Nichts ab. Natürlich bin ich der Letzte, der behaupten würde, ein Kleidungsstück müsse immer auch nützlich sein. Wer meine Garderobe kennt, weiß, dass ich eher die Gegenansicht vertrete und meine Hemden, Hosen und Anzüge nicht aus Notwendigkeit, sondern schlicht aus Genuss trage. Doch der Sommerschal ist keinesfalls schmückend, weshalb er weder die eine, noch die andere Anforderung erfüllt, die man an Mode stellen kann.

Um meine Phantasie, den Mann mit der Schlinge seines Schals an einem Stahlträger der Elbphilharmonie aufzuknüpfen, nicht in die Tat umzusetzen, flüchtete ich in die Waschräume und rückte vor dem Spiegel erst einmal mein Halstuch im Kragen des Hemdes zurecht. Denn das Foulard und der Krawattenschal sind die einzigen akzeptablen - weil dandyesken - Möglichkeiten, den nackten Hals schicklich zu bedecken. Beim Herausgehen sah ich, wie der Sommerschal immer wieder der Kaffeetasse seines Trägers gefährlich nah entgegengeweht wurde. Als ich mich wieder an unseren Tisch setzte, fiel dann mir plötzlich doch noch ein praktischer Nutzen für diese Modesünde ein. Ja, künftig sollte in Cafés zu jeder Tasse auch ein Sommerschal ausgegeben werden. Denn schließlich nimmt kaum etwas verschüttete Getränke besser auf, als ein dünnes Stück Baumwolle.


Dorian Gray:
- hat in Paris zu viel Geld ausgegeben
- findet, dass man für Mode nie zu viel Geld ausgeben kann
- wünscht sich zurück in die französische Hauptstadt

Mittwoch, 11. August 2010

Alt-modisch

Ursprünglich hatte ich geplant, meinen neuen Post der Katastrophe namens Männer-Sandale zu widmen - und der Tatsache, dass jetzt sogar von Gucci ein ebensolcher Schuh angeboten wird.

Meine geneigten Leser mögen mich nicht falsch verstehen, es geht hier nicht um die klassisch-ledernen Gladiatorensandalen (für Herren), wie sie beispielsweise Model und Hotelier Nicolas Malleville geradezu obsessiv sammelt. Die Rede ist von Trekking-Sandalen, die bei hochsommerlichen Temperaturen alljährlich wieder nicht nur an Pädagogen- und Touristenfüßen, sondern auch bei ansonsten annehmbar gekleideten Menschen wiederzufinden sind. Ein ebensolches Modell, mit "praktischem" Klick- und Klettverschluss (!!), welches am Besten in einem Regal des Campingausstatters Globetrotter aufgehoben wäre, bietet die Florentiner Modeschmiede zum irrwitzigen Preis von 395 Euro an. Man braucht sich allmählich nicht mehr zu fragen, warum es so viele schlecht angezogene Menschen gibt: selbst diejenigen, die ohne Stilbewusstsein herumlaufen und sich blind auf Labels verlassen, rutschen von der bloßen Stillosigkeit ins modische Dilemma ab.


aus: Gala MEN, Ausgabe Frühling/Sommer 2010

Man merkt, es fällt mir schwer, mich nicht weiter über derlei Traurigkeiten auszulassen. Doch vorgestern begegnete ich einem Phänomen, welches hier in Hamburg hauptsächlich in Werbeagenturen und in Eppendorf anzutreffen ist - und dem entschieden entgegengewirkt werden muss:

den "Junggebliebenen".

Ich war auf dem Rückweg von einem Abend mit dänischem Bier und Poolbillard bei A. und musste wegen Ersterem den Bus nach Hause nehmen. An der Haltestelle hieß es warten und ich rückte gerade das Einstecktuch in der Brusttasche meiner Lederjacke zurecht, als ich ein junges Pärchen auf mich zukommen sah, 19, vielleicht 20 Jahre alt. Zwar konnte ich ihre Gesichter in der Dunkelheit nicht erkennen, doch man kann schließlich anhand der Kleidung auf das Alter schließen, nicht war? Weit gefehlt.

Er, leicht dicklich, trug ein weißes Polo-Shirt unter einer dunkelblauen Sommerjacke. Dazu eine, gleichfalls dunkelblaue kurze Hose mit Taschen auf den Oberschenkeln. Seine Füße steckten in knallroten Hi-Top-Chucks. Seine Begleiterin verdeckte ihre Beine unter dem grüngelb geblümten Flatterkleid mit schwarzen Lederleggings, dazu - natürlich - Ballerinas, schwarz, mit Perlstickerei. Gegen die kalte Nachtluft hatte sie noch eine schwarze Lederjacke mit Bündchen an den Ärmeln angezogen. An ihrem Arm baumelte eine dunkelblaue Longchamp-Tasche.

Als das Pärchen dann näherkam, hätte ich mir beinahe ungläubig die Augen gerieben, wie es Comicfiguren ab und an tun, wenn sie etwas nicht fassen können. Sein steingraues Haar harmonierte ganz wunderbar mit ihren, zwar damenhaft versteckten, aber dennoch sichtbaren, Gesichtsfalten. Die Beiden waren mindestens 40, 45 Jahre alt.

Meine Leser dürften anhand der Outfitbeschreibung verstehen, weshalb ich mit meiner Schätzung so gründlich daneben lag. Man möge mich nicht falsch verstehen: es geht mir nicht um die Komponenten als solche. Nicht darum, dass Hi-Tops zur kurzen Hose ausschließlich von Basketballern (und Hip-Hoppern, die dann aber meist Basketball-inspiriert sind) getragen werden sollten. Nicht darum, dass ich - einige meiner Leser erinnern sich vielleicht - Leggings eine aus tiefster Seele kommende Antipathie entgegenbringe. Nein, es geht einzig darum, dass man das Altern akzeptieren muss - und sich zumindest altersgemäß kleiden sollte.
Meinetwegen können Menschen jeden Alters Bungee-Springen, Wakeboarden oder Rennwagen fahren, um sich jung zu fühlen. Aber bitte: niemand sollte in denselben Klamottenläden kaufen wie die eigenen jugendlichen Kinder. Frische Outfits, modische Outfits, extravagante Outfits: alles, bitte, ja. Aber "junge Styles" - nein, danke. Wer möchte schon sechzigjährige Damen im Minirock sehen, oder den Vorstandsvorsitzenden in Skinny-Jeans?

Das Pärchen saß mir dann im Bus schräg gegenüber. Die Frau warf mir, als ich sie kritisch musterte, ein Lächeln zu. Als Antwort zog ich bloß meinen klassischen, designtechnisch direkt aus den 50ern stammenden Bogart-Hut tiefer ins Gesicht. Denn gestrige Outfits sind keinesfalls aus der Mode. Ewiggestrig zu sein dagegen schon.


Dorian Gray:
- hat auf dem Flohmarkt einen lebensgroßen Karl-Lagerfeld-Pappaufsteller erstanden
- benötigt noch dringend Desert Boots für den jetzt immer häufiger einsetzenden Regen
- ist positiv überrascht von irischem Single-Malt-Whisky

Samstag, 19. Juni 2010

Short stories

Es ist Sommer (zumindest dem Kalender nach).

Es ist Sommer, es ist WM und deswegen ist für einen sehr engen Zeitraum das Tragen von Fußballtrikots abseits des Platzes in Ordnung.

Es ist Sommer, Deutschland siegt 4:0 (das Serbien-Spiel lassen wir mal außen vor) und deshalb bleibt auch die Tatsache unkommentiert, dass der Bundestrainer seine makellosen weißen Strenesse-Hemden gegen ein blaues Langarm-Schlafanzugoberteil eingetauscht hat.

Es ist Sommer und die kurze Hose ist natürlich wieder da. Und die Männer dieser Hansestadt sollten dringend für eisige Temperaturen beten, damit sie bloß wieder zu langen Jeans zurückkehren können. Denn bei Shorts wird falsch gemacht, was falsch gemacht werden kann.

Am Mittwoch war ich bei perfektem Wetter mit M. in der Innenstadt unterwegs. Jeder Hamburger versuchte, so viel nackte Haut wie möglich der Sonne auszusetzen - mit Erfolg, doch nicht gerade mit den vorteilhaftesten Outfits. M. und ich hatten es uns gerade mit "to gos" am Jungfernstieg bequem gemacht, als ein Mann vorbeilief, dem ich an dieser Stelle höchstpersönlich die Schuld an meiner anschließenden schlechten Laune gebe.

Er trug - klar - kurze Hosen und stand exemplarisch für alle Männer, denen das Tragen kurzer Hosen unter Androhung strengster Sanktionen verboten werden sollte. Seine schlammgrün-karierten "Shorts", sofern man sie noch so bezeichnen kann, endeten auf halber Höhe des Schienenbeins. Ins Bündchen am Bein war ein "praktischer" Gummizug eingearbeitet, der die blassen, spindeldürren Waden des Mannes auf äußerst ungesund aussehende Weise abschnürte. Von den Verschlüssen des Gummizuges standen zu den Seiten dicke, schwarze Nylonstränge ab, so dass es wirkte, als hätte sich Ungeziefer mit langen Fühlern in den Beinen seiner Hose versteckt.
Geschätzte zehn Zentimeter unterhalb der Hose begannen dann seine anthrazitfarbenen Sportsocken (Adidas, die drei Streifen deutlich weiß hervorgehoben), welche wiederum in dunkelbraunen Lacoste-Ledersneakers mit Klettverschluss steckten. Um sein Markenbewusstsein weiter zu demonstrieren, trug der Herr zu diesem Ensemble ein hellblaues La-Martina-Hemd mit überdimensionierten Pferde-Applikationen darauf (natürlich lässig aus der Hose hängend).
Allein für diese Zusammenstellung hätte ich ihn gern mit Fackeln und Mistgabeln über die Stadtgrenze getrieben, doch es war dieses "Ding", das seine Beine bedeckte, was mich wünschen ließ, viel Rum in meinem Kaffee zu haben.

"Traurige Ausnahme", mag der geneigte Leser jetzt denken - doch dem ist keinesfalls so. Tatsächlich scheinen beunruhigend viele Männer zu glauben, dass es ihnen eine gewisse Surfer-Lässigkeit verleiht, wenn ihre Shorts unterhalb des Knies enden (was Möchtegern-Surfer angeht, habe ich ja bereits zu Badehosen meine Meinung gesagt). Dieser Look sorgt einzig dafür, dass die Beine lächerlich kurz aussehen - jeder korpulente Mann wirkt noch gedrungener, die Dünnen sehen noch verlorener in ihren Outfits aus. Und um auch an den rationalen Verstand modisch desinteressierter Herren zu appellieren: welchen Vorteil bringt diese unvorteilhalfte Länge? Möchte man nicht eher mehr Bein zeigen, damit man auch mehr Haut bräunen kann?

Deshalb hier nochmals die oberste Regel, die weit vor Farben, Formen, überflüssigen Taschen oder dem Rest des Outfits beachtet werden muss: kurze Hosen müssen - genau - kurz sein. Das Knie ist die, vom Körper praktischerweise vorgegebene, natürliche Grenze für die Länge von Shorts. Nicht wirklich schwer zu merken. Und noch ein Tipp, was Socken zu kurzen Hosen angeht: einfach nicht tragen (zumindest nicht sichtbar). Schon gar keine Sportsocken. Es sei denn, bei dem Sport handelt es sich um Croquet, bei den Socken um karierte Kniestrümpfe - und bei dem Träger um einen Vertreter der englischen Oberschicht.



Dorian Gray:
- trauert seinen patinierten Segelschuhen nach
- vertraut bei der WM keinem Favoriten mehr
- leidet seit Tagen an einem "Baby Baby Baby"-Ohrwurm

Dienstag, 18. Mai 2010

About sweatpants and should-be-dead trends

Ein Outfit kann noch so phantastisch zusammengestellt sein und doch schlecht aussehen. Denn ein entscheidender Punkt jedes Looks ist, dass der Träger sich darin wohlfühlt. Tut er es nicht, so ist die Außenwirkung dahin und er wird wie verkleidet wirken.
Jeder Mensch besitzt ein Kleidungsstück, in dem er sich besonders gut fühlt. Bei vielen ist es dasjenige, welches am gemütlichsten ist. "Mit Gemütlichkeit kommt auch das Glück zu dir", sang einst Balu, der Bär aus dem Dschungelbuch. Doch wer möchte Stilratschläge von einem behaarten Waldbewohner, der seinen Juckreiz an Palmen bekämpft und bisweilen Baströckchen trägt?

Offenbar mehr Leute als bisher angenommen. Denn die Jogginghose sucht die Mode heim. Bisher war sie, kombiniert mit schwarzer Kunstlederjacke, Erkennungsmerkmal pubertierender Vorstadtgangster. Doch jetzt macht sie den Sprung vom "wenn-ich-nach-Hause-komme-ziehe-ich-als-erstes-...-an"- Kleidungsstück (wie es gern in einschlägigen Internetforen verbreitet wird) hinaus auf die Straße. Besonders das graumelierte Baumwollmodell taucht plötzlich kombiniert mit High Heels oder Navyblazer auf. Die GQ will sie, in schwarz, gar zum Smokingjackett für die nächste Party verkaufen.

Die Neunziger sind zurück: Sweatpants und bauchfrei bei Alexander Wang

Wie gesagt, der Wohlfühlfaktor ist wichtig, doch dem müssen gesellschaftliche Grenzen gesetzt werden. Jeder, der sich mit so einer ausgebeulten, unförmigen und selbst für die traumhaftesten Modelbeine unvorteilhaften Zumutung in die Öffentlichkeit wagt - und nicht gerade auf dem Weg ins Sportstudio ist - gehört mit Stilbibeln beworfen (ich empfehle, wegen des enormen Gewichts, die Vogue). Trainingshosen sind die Ugg-Boots für das ganze Bein - und meine geneigten Leser wissen, was ich von Ugg-Boots halte. Die heißesten Manolos, das klassischste Brooks-Brothers-Jackett, können diese Hose nicht aufwerten. Die Jogginghose sollte Menschen vorbehalten sein, deren Bauchumfang zu groß ist, um etwas anderes als einen Gummizug-Bund darumzuschlingen. Und selbst die sollten sich dringend überlegen, ob sie nicht tatsächlich in der Hose mal Joggen gehen sollten, anstatt vor dem Fernseher fleißig Pizzaflecken darauf zu verteilen.

Ich habe es schon in meinem letzten Post deutlich gesagt: die Neunziger sollen bitte, bitte auch in den Neunzigern bleiben. Auch das Camouflage-Design ist zurückgekehrt, zusammen mit bauchfreien Oberteilen. In Hinblick darauf, dass gefühlte 98% der weiblichen Weltbevölkerung mit ihrem Bauch unzufrieden sind, scheint mir letzterer "Trend" so unklug wie überflüssig. Mein Bedarf an bauchnabelgepierctem, blassem Fleisch ist jedenfalls bereits seit 1998 gedeckt. Die Totenruhe des Neunziger-Styles verdient es nicht, gestört zu werden.

Deswegen: tragt eure Sweatpants meinetwegen zu Hause, wo schließlich jedermann seine Perversitäten frei ausleben kann. Doch wenn ihr hinausgeht, sucht euch einen anderen Quell des Wohlbefindens. Allen Frauen empfehle ich hierfür knallenge Aufreißer-Jeans und Killer-Heels. Warum? Weil sich auf der Haut nichts besser anfühlt als sehnsuchtsvoll schmachtende Männerblicke.


Dorian Gray:
- trägt seine Jogginghose nur auf Hockeyturnieren ganztägig, mit Bootsschuhen und Ralph-Lauren-Pullover
- sucht noch immer DAS Outfit für die SATC2-Premiere
- hält weiter tapfer nach der Sonne Ausschau

Dienstag, 27. April 2010

Auf dem Holzweg

Es gab Zeichen.

Die zerlöcherte Jeans. Teddyfell-Jacken mit Animal-Prints. Denim in Lila, Türkis und Azur und Bipolar-Goldschmuck. Sogar ein T-Shirt mit Fantasy-Wolf-Mondschein-Aufdruck habe ich vor kurzem gesichtet.

Auch B. hatte mich gewarnt: "Die Jahrzehnte wiederholen sich", so lautete sein Orakel. Und er lag richtig. Die wiederkehrenden Achtziger haben Leggings, Neonfarben und Schulterpolster zurück in die Kleiderschränke gespült; folgen konsequenterweise 2010: die neunziger Jahre.

Ich habe es lange nicht wahrhaben wollen, dass diese Zeit, die uns damals Karottenhosen bei Männern und Igelhaarschnitte bei Frauen beschert hat, wiederkommt. Doch von allen Seiten wird gerade jetzt, wo der Sommer aufkeimt, mit einem "Trend" geschmissen, der mindestens in den Top 5 der hässlichsten, entstellendsten und unsexyesten Modeströmungen landet. Es sind die Clogs.

Diverse Designer haben sie für diese Saison auf den Laufsteg geschickt. Perché, warum, Miuccia? Und sogar du, Karl: J'accuse, Monsieur Lagerfeld! Die hölzernen Folterinstrumente haben in dem Jahrzehnt meiner Kindheit nicht nur sämtliche Krankenhausflure Deutschlands heimgesucht, sondern auch auf den Schuhregalen vor den Haustüren typischer 90er-Familien (zu erkennen an der Kevin-Locke im Nacken der männlichen Sprösslinge) mit Schweden-Affinität ihren Platz gefunden. Und nun sollen sie wieder über die Gehwege der Trendmetropolen klappern. Zwar mit Pailletten verziert, die Absätze etwas höher. Doch Clogs sind es noch immer.


Clogs bei der Chanel-Fashion-Show


Clogs von Miu Miu

Der Ausdruck "Klotz am Bein" bekommt eine neue Bedeutung. Denn mal ehrlich: eine Frau kann Beine bis zum Himmel haben; wenn sie aber unten in diesem klumpigen Schuhwerk enden, fühlt man sich unweigerlich an das Fußproblem eines gewissen deutschen "Politikers" erinnert, der in den dreißiger und vierziger Jahren eine äußerst zweifelhafte Karriere machte.

Deshalb mein dringlicher Appell an die Damenwelt: lasst die Neunziger dort, wo sie hingehören, nämlich in der Vergangenheit. High Heels, Sandalen, Wedges, tragt, was ihr wollt. Ja, holt doch sogar lieber noch (und ich kann kaum glauben, dass ich das hier schreibe) eure Ballerinas für eine weitere Saison aus dem Schuhschrank. Die sind allemal leichter zu ertragen als dieser holzgewordene Alptraum.


Dorian Gray:
- hat seine Neunziger hauptsächlich in einer Levi's 501, zu großen Hard-Rock-Café-Shirts und einer violetten Radlerhose verbracht
- weist explizit auf die erschreckende Namensähnlichkeit von "Crocs" und "Clogs" hin
- kann den Neunzigern einzig und allein Gangsta Rap als positive Eigenschaft abgewinnen - damals noch authentisch

Mittwoch, 7. April 2010

Chapeau!

Ich werde mich bemühen, in diesem Post nicht allzu viele Wortspiele zum Thema Kopfbedeckungen aus dem Hut zu zaubern, sondern auf der Hut zu sein, was die zahlreichen Sprichwörter hierzu angeht. Denn wäre dies ein kommerzieller Blog, so könnte ich nach derlei Verfehlungen wohl gleich meinen Hut nehmen.

Doch Spaß beiseite: so sehr der Hut auch im deutschen Sprachgebrauch verankert ist, so selten begegnet man ihm noch auf der Straße. Vor kurzem habe ich mir mal wieder Francis Ford Coppolas "Paten" zu Gemüte geführt. Und abgesehen davon, dass es sich hierbei um einen dieser Filme handelt, die wirklich jeder Mann - sowie jede Frau, die über den tragischen "Unfall" eines Rennpferdes hinwegsehen kann - gesehen haben sollte, ist es auch ein Film, der in Sachen Mode Maßstäbe für denjenigen setzt, der einmal wirklich gut angezogen sein möchte. Was immer die Mafia auf der Leinwand auch Grausames anrichtet, eines kann man ihr nicht nachsagen: dabei schlecht gekleidet zu sein. Auftragsmord? Bitte, gerne, aber nur im Anzug und mit Krawatte, danke.
Zu einem großen Teil spielt der Film in den 1950er Jahren, einer Zeit, in der es für einen Herrn eher unüblich war, ohne Kopfbedeckung das Haus zu verlassen. Was ist daraus geworden?

In heutigen Tagen ist höchstens noch das Trucker-Cap mit derselben Regelmäßigkeit auf der Straße anzutreffen. Schlimmstenfalls ist es mit Tattoo-Motiven meines modischen Erzfeindes verschandelt und wird zu einem derzeit wieder äußerst beliebten (warum?? WARUM!?) Vokuhila dergestalt getragen, dass es nicht fest auf dem Kopf sitzt, sondern locker oben auf den Haaren aufliegt, um die "Frisur" ja nicht zu zerstören.

Ich sehe die e-mails sämtlicher Indie-Band-Sänger schon vor mir, deshalb: ja, ja, es gibt auch Menschen, die noch richtige Hüte tragen. Solche, die in der Form beinahe einem klassischen Fedora entsprechen. Zwar sind diese Hüte dann meist aus Stoff, nicht mehr aus Filz, doch es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Lobe ich diese Leute? Keinesfalls. Stattdessen werde ich mich bei Ikea mit Gratis-Maßbändern eindecken und jedem von ihnen eines in die Hand drücken, wenn sie an mir vorbeilaufen. Denn einen Hut in der korrekten Größe zu erwerben, das war diesen Behuteten nicht vergönnt. Nein, ihre Kopfbedeckungen sind zu groß und sitzen knapp über den Augenbrauen - oder, schlimmer noch, sind zu klein. Dann erinnern ihre Träger an den Affen eines Leierkastenmannes (einer Berufsgruppe, die inzwischen offenbar dasselbe Problem wie den Hut ereilt hat; man sieht sie kaum noch). Diesen possierlichen Tierchen wurden in purer Verachtung des "keine Kleidung für Tiere"-Grundsatzes sehr kleine Hüte auf den Kopf geschnallt. Sie waren deshalb so klein, damit der Affe sich nicht durch den Hut irritiert fühlte, und versuchte, den Hut kreischend vom Kopf zu reißen. Bei den Menschen mit zu kleinen Hüten bin ich allerdings versucht, diesen kreischend herunterzureißen und dem Träger bei Unverständnis gegebenenfalls noch eine Bisswunde zuzufügen.

Humphrey Bogart mit Fedora

Eine geschätzte Leserin, J., veranstaltet anlässlich ihres Geburtstages eine "Hut-Party". Abgesehen davon, dass es eigentlich eine Unsitte ist, in geschlossenen Räumen die Kopfbedeckung nicht abzunehmen (bei einer solchen Party darf natürlich eine Ausnahme gemacht werden), werde ich die Gelegenheit nutzen, den perfekten Hut zu finden. Vielleicht schlicht, vielleicht etwas extravaganter. In jedem Fall rate ich meinen geneigten Lesern, sich einen klassischen Hut zuzulegen und ihn öfters mal zu tragen. Er schützt vor Regen, hilft einem "Bad Hair Day" ideal ab, man kann im Zug ein Schläfchen halten und die Fahrkarte für den Schaffner einfach in das Hutband klemmen (auch, wenn sie dann heutzutage vermutlich entwendet wird). Und mal ehrlich, können meine werten Leser sich einen eleganteren Anbandelungsversuch vorstellen, als eine Dame mit dem Lüften des Hutes auf der Straße zu grüßen? Sollten wir uns dann in der Stadt über den Weg laufen, werde ich anerkennend meinen Hut vor Ihnen ziehen.


Dorian Gray:
- ist so frei, einen weiteren Musiktipp zu geben: Something à la mode mit "Rondo Parisiano"
- läutet den Frühling ein, indem er hemdsärmelig in der Sonne sitzt
- befindet, dass die Suche nach schlichten schwarzen Derbys schwieriger ist, als bisher angenommen

Donnerstag, 25. März 2010

Hosianna!

Vermutlich liegt es an den nahezu hochsommerlichen Temperaturen, doch heute fühle ich mich bemüßigt, noch ein zweites Mal meine Meinung kund zu tun. Auf meiner Tour durch die Innenstadt hat mich nämlich eine erschreckende Erkenntnis befallen, die es mir genau genommen nicht mehr erlaubt, irgendwo anders zu leben, als in den Tiefen der arabischen Wüste oder bei einem Lendenschurze tragenden Inselvolk:

Ich kann keine Jeans mehr sehen.

Meine geneigten Leser mögen mich nicht falsch verstehen; der Blick in meinen Kleiderschrank würde jedem offenbaren, dass ich sehr, sehr viel Geld für Denim gelassen habe. Ich mag meine Jeans auch wirklich gerne, besitze alle möglichen Blautöne (sowie grau und schwarz) und finde es äußerst praktisch, dass ich sie selbst zu den ausgefalleneren Oberteilen problemlos kombinieren kann. Aber mittlerweile ist die Jeans gewissermaßen der Kim Jong Il der Hosen und duldet kaum noch andere Beinbekleidungen neben sich. Im Geschäftssektor konnte sie dem Anzug aus verständlichen Gründen den Rang noch nicht abkaufen, doch selbst hier hat sie schon Einzug gehalten. Und sonst? Vereinzelt sehe ich Revolutionäre in farbigen Chinos herumlaufen und gratuliere B. an dieser Stelle noch einmal zum Kaufe der dunkelblauen Armani-Hose, die wirklich nur eine HOSE und sonst nichts ist. Aus dem Blickwinkel eines fünfjährigen Kindes (also auf Beinhöhe eines Erwachsenen) ist die Welt ansonsten ziemlich jeansblau.

Doch warum? Die Jeans ist der Allrounder unter den Hosen. Sie schafft es, eine gewisse Robustheit und das Gefeitsein gegen alle Widrigkeiten mit der Möglichkeit zu vereinen, sich noch immer modisch zu kleiden. Etwas, was sonst kaum ein Kleidungsstück schafft. Sie verleiht Sicherheit in jedweder Hinsicht. Und genau das ist auch gleichzeitig ihr Problem: man kann sie zerreißen, anmalen und umschneidern, wie man will, es bleibt doch immer nur eine Jeans. Und irgendwann wird sie langweilig. Sie kann zwar zeigen, dass der Träger sich modisch Gedanken gemacht hat - doch getraut hat er sich kaum etwas. Meiner Ansicht nach gehört ein wenig "living on the edge" zum Leben dazu. Den blütenweißen Dandy-Anzug zur Rotweinprobe tragen. Den Faltenrock zum Fotoshooting auf dem Windschacht. Und die knallrote Hose zum Stierkampf anziehen. Denn jeder weiß, dass Stiere nicht auf die Farbe, sondern auf die Bewegung reagieren. Gefährlich wird es also nicht. Solange man gut angezogen still sitzen bleibt.


Dorian Gray:
- ist es leid, sich drei weitere Stichpunkte für diesen Tag auszudenken
- tut es aber trotzdem
- wird jetzt zu Germany's Next Topmodel zurückkehren und Heidi Klums Schützlinge belächeln

Germanisch-depressiv

Seit einigen Tagen mache ich ein kleines Experiment. Es läuft unter dem Titel "Wen würde ich photographieren, wäre dies hier ein Streetstyle-Blog?" und hat zum Inhalt - der geneigte Leser mag es schon ahnen - dass ich mir Leute auf der Straße ausgucke, deren Stil es wert wäre, an dieser Stelle erwähnt und gezeigt zu werden.

Man könnte annehmen, dass dies besonders jetzt, wenn der Frühling in der Hansestadt Einzug hält, ein äußerst leichtes Unterfangen sein dürfte. Die Sonne beschwingt die Leute, die dunklen, dicken Winterjacken verschwinden im Schrank und geben den Blick frei auf farbliche, stoffliche und kombinative Explosionen gleichermaßen... Doch weit gefehlt.
Die vorherrschenden Farben sind überall blau-schwarz; Denim unten, Schwarz oben. Bestenfalls wurde die dunkle, dicke Winterjacke gegen eine dunkle, nicht mehr ganz so dicke Übergangsjacke getauscht. Meine Tom-Ford-Sonnenbrille musste bisweilen herhalten, um die Tränen der Enttäuschung zu verbergen.

Vor kurzem erst habe ich einen Artikel über den Stil der Italiener gelesen. Die meisten darin enthaltenen Klischees waren solche, die sich letzten Endes meist doch bewahrheiten. Doch ansonsten kam der Italiener an sich recht gut weg. Wenn man darüber sinniert, so lassen sich den meisten Landsleuten bestimmte modische Gräuel zuordnen, doch gleichzeitig besitzt auch jedes Volk in gewisser Weise einen charakteristischen Stil. Das Gräuel war bei den Deutschen bisher immer die Sandalen-weiße-Socken-Kombination. Doch trifft das für Leute unter 60 noch zu? Und was ist dann der charakteristische deutsche Stil?

Auf die Gefahr hin, die riesige Zahl meiner geschätzten Leser auf einen Schlag rapide zu verringern: ich halte den typischen Deutschen modisch betrachtet für schlichtweg langweilig. Und ich glaube, dass die zwei Hauptursachen dafür 1. mangelnde Eitelkeit oder 2. schlechte Beratung sind.

Die Vertreter der ersten Gruppe haben entweder das Problem, dass sie zu wenig Zeit vor dem Spiegel verbringen. Ihr Aussehen ist ihnen egal und sie kaufen Kleidung aus purer Notwendigkeit, etwas anziehen zu müssen (dieser strenge gesellschaftliche Kodex heutzutage...), weshalb dann Dinge spazieren getragen werden wie diese farblich unmöglich zu bestimmende ("Ölschlamm"?) Strickjacke der Dame mit dem Mecki-Haarschnitt neben mir auf der Bank, die dies hier hoffentlich nicht lesen kann (oder vielleicht gerade einmal lesen sollte).
Oder aber, die Leute mit Problem Nummer 1 sehen sich einmal um und tragen dann, was alle anderen auch tragen; nicht, weil es ihnen gefällt, sondern um sich zu assimilieren. Deshalb laufen etwa 18.486.323 Mädchen und Frauen im Bundesgebiet in schwarzen Leggings, schwarzen Ballerinas und einem grauen T-Shirt-Kleid herum und in etwa ebenso viele Männer mit einer schwarzen Lederjacke mit Strickbündchen und der passenden G-Star-Jeans, die ihren Namen auf dem verlängerten Rücken in übergroßen Lettern preisgibt.

Gruppe Nummer 2 wiederum hat das Bedürfnis, sich gut anzuziehen, gerät dabei jedoch leider an modeberatende Verkäufer, denen die nicht vorhandene Lizenz entzogen werden sollte, weil sie Damen mittleren Alters in bunte Ringelshirts und schlecht sitzende Blazer zwängen.

Die Leute mit schlechtem Stil (die also Dinge, welche ich in diesem Blog durch den Dreck ziehe, kaufen, weil sie ihnen gefallen) habe ich erst einmal außen vor gelassen. Den Anderen sei gesagt, dass sie doch bitte noch einmal überlegen mögen, ob sie tatsächlich wie ein personifizierter Kik-Kleiderständer vor die Tür gehen wollen, nur weil sie zu faul sind, sich etwas mehr Mühe zu geben - oder dass sie mich einfach künftig um Rat fragen sollen.

Noch eine kurze Anmerkung zu meinem Experiment: bei der Suche seit dem vergangenen Freitag kam ich bisher auf die Zahl 6. Wer mir jetzt noch das Gegenteil der hier aufgeführten Thesen beweisen will, möge aussagekräftige Bilder schicken. Mit Nachweis über die Staatsangehörigkeit des Fotomodells. Denn Nummer 7 da drüben auf dem Gehweg zeigt mir gerade, dass man die Hoffnung nie aufgeben sollte.


Dorian Gray:
- bittet alle Besitzer von mp3-Playern, Handys und weiterem elektronischen Equipment, sich dieses künftig nicht mehr um den Hals zu hängen
- wird sich optimistisch mit einem Großvorrat an Sonnencreme eindecken
- wartet ungeduldig auf die "2" vorne bei der Temperaturangabe

Freitag, 5. März 2010

Echo... cho... o... oh no!

Silbermond. Ich+Ich. Xavier Naidoo. Andrea Berg, die Kastelruther Spatzen... Diese Liste deutscher Musik-Giganten ließe sich noch lange fortsetzen, blickt man auf die Verleihung des ECHO-Musikpreises am gestrigen Abend. Alles Namen, die weltweit bekannt sind und für Kreischorgien bei Fans jeden Geschlechts und jeder Altersrichtung sorgen... Doch Spaß beiseite. Ein Mann, unglücklicherweise Hanseat wie auch der Verfasser dieses Blogs, wurde gestern gleich zwei Mal auf die Bühne geholt - und durfte auch noch performen: Jan Delay.

Im Geiste höre ich genau jetzt das missmutige Murmeln derer, die glauben, dass man Jan Phillip Eißfeldt (vulgo: Jan Delay) keinesfalls kritisieren sollte, ist er doch einer der bedeutendsten Künstler unserer Zeit, kann sich ausnehmend gut anziehen, seit er dem Hip-Hop-Streetstyle abgeschworen hat und so weiter.

Doch kann er das wirklich? Jan Delay trägt seit dem Durchbruch seiner Solo-Karriere von Kopf bis Fuß beinahe ausschließlich das -eigentlich stilistisch todsichere- Label Herr von Eden. Bei den GQ-best-dressed-Wahlen im letzten Jahr belegte er Platz 16. Doch es ist an der Zeit, mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf Herrn Delay zu deuten; genauer gesagt auf seine Brusttasche.

Denn J.D. hat einen entscheidenden Fehler gemacht, der ihn mitsamt seiner himbeerfarbenen Anzüge der Lächerlichkeit preisgibt und dem totgetretenen Sprichwort vom Stil, den man nicht kaufen kann, ein weiteres Beispiel hinzufügt: das Muster seines Einstecktuches war identisch mit dem seiner Krawatte.

(c) n24.de

Mit dieser Schocktherapie könnte ich nun den Artikel beenden und sämtliche Delay-Fans weinend vor den Monitoren zurücklassen. Doch da ich von Natur aus gerne stichele (hätte das einer meiner geneigten Leser gedacht?), geht es noch ein bisschen weiter. Es sei gesagt, dass selbst Wikipedia, nicht gerade erste Anlaufstelle für die Fashionistas dieser Welt, in seinem Artikel über das Einstecktuch zu verstehen gibt, dass das Pochette "einen neuen Akzent" (Betonung liegt auf neu) setzen soll. Aufeinander abgestimmte Sets von Krawatte und Tuch sollten beim Herrenausstatter gemieden werden wie das Kloster Ettal von Schülern dieser Tage. Da kann man sein Einstecktuch gleich auf Pappe aufgesteckt und die Krawatte zum umknöpfen kaufen.

Da Delay seinen Hut aber auch mindestens zwei Nummern zu klein gekauft hat, möge es ihm nachgesehen werden. Sollte er dies hier lesen: ich biete mich gern zum nächsten Shoppingtermin als persönlicher Berater an. Und an alle weiblichen Fans: beim nächsten Konzert keine Unterwäsche werfen, sondern viele bunte hübsche Tücher. Dann hat er auch mal eine Auswahl. Ich jedenfalls werde das Einstecktuch nicht nur, wie angekündigt, bei Mänteln etablieren, sondern trage es auch zur Lederjacke. Nachahmung ausdrücklich erwünscht.


Apropos Nachahmung: zum Schluss ergeht noch eine Mitteilung in persönlicher Sache an denjenigen GQ-Redakteur, dessen Artikel auf Seite 122 der Frühjahr/Sommer 2010 Style-Ausgabe eine geradezu verblüffende Ähnlichkeit mit meinem Blogeintrag vom 17.07.09 aufweist: beim nächsten Mal, wenn ich für euch schreiben soll, einfach anfragen. Mache ich dann auch gern. Doch, wirklich!


Dorian Gray:
- leidet seit der GQ-Affäre unter massivem Verfolgungswahn
- bekommt "alors on danse" nicht mehr aus dem Ohr
- wäre gerne schneiderisch begabt, um fortan nur noch Eigenkreationen zu tragen

Sonntag, 21. Februar 2010

Das letzte Hemd hat keine Taschen

Für gewöhnlich kann man es sich als international erfolgreicher Fashion-Blogger erlauben, über modische Extravaganzen herzuziehen und die ganz üblen Fauxpas außen vor zu lassen; denn diese begehen Leute, bei denen ohnehin meist Hopfen und Malz verloren ist. Doch ab und an begibt es sich, dass man von seinem virtuellen hohen Roß hinab in den modischen Schlamm steigen muss, um diese Leute aus selbigem herauszuziehen. Meine männlichen Mitmenschen werde ich nun zu diesem Zwecke wortwörtlich am Schlafittchen packen, denn es folgt eine Abhandlung über DAS Basic jedes Mannes:


Das Hemd.


Am vergangenen Freitag hatte ich mit L. das Ciu' an der Alster besucht (für alle Nicht-Hanseaten: ehemals - so etwa 2005-2007 - einer der In-Treffs für Hamburgs verwöhnte Snob-Jugend, heute vorwiegend von Innenstädtlern als Afterwork-Lokal genutzt.) Angetan mit meiner in Paris erworbenen Yves-Klein-blauen Hose hatte ich mit einem Glas Highland-Whisky in der Hand die Gelegenheit, einer meiner Lieblingstätigkeiten nachzugehen: Leute gucken. Wir saßen eingezwängt zwischen einem Pärchen, dessen männlicher Part bei der Wahl seiner Brille besser einen Blick auf meinen letzten Blogeintrag hätte werfen sollen, sowie einem Dreiergespann vietnamesischer Transvestiten auf der anderen Seite unseres Tisches. Eine dieser drei Damen war es dann auch, die die Aufmerksamkeit eines Mittvierzigers auf sich zog, der mit einem Freund über zwei Weizengläser gebeugt an der Bar Platz genommen hatte. Dieser Herr veranlasste mich dazu, einen tiefen, beruhigenden Schluck aus meinem Glas zu nehmen, denn sein Outfit war, im wahrsten Sinne des Wortes, untragbar.

Spontan würde ich darauf tippen, dass es sich bei ihm um einen mittelständischen Angestellten handelte, der tagein, tagaus zu große, schlotterige Anzüge mit dicken, hässlichen Nadelstreifen darauf und noch dickeren, noch hässlicheren Krawattenknoten darunter trägt. Doch für seine Freizeit hatte er sich etwas besonderes ausgedacht: sein grusligschlammfarbenkariertes Hemd trug er aus der Cargohose heraus hängend, um seine schier unglaubliche Jugendlichkeit zu demonstrieren. Als er zu dem Tisch mit den drei Grazien betont lässig herübergeschlendert kam, lächelte ihm sein Begleiter (das ebenfalls farblich undefinierbare Hemd selbstverständlich aus der Hose herausgezogen) bewundernd hinterher und nickte einen männlich-sinnierenden Gruß in sein Weizenbierglas. Die Abfuhr, die der mutige Verführer natürlich kassierte, hätte ich schon aus 500 Metern Entfernung voraussagen können.

Es ist eigentlich einfach, ein Hemd zu tragen, denn grundsätzlich kleidet es jeden Mann um ein Vielfaches besser, als es jedes andere Oberbekleidungsstück täte. Doch einige Regeln wollen auch hier beachtet werden. Zuvorderst steht hier nun einmal, dass man ein Hemd in die Hose steckt. Und zwar immer. Der Prozentsatz von Leuten, die ihr Hemd auch aus der Hose hängend tragen können, ist verschwindend gering; diese Männer sehen dann aber auch einfach so gut aus, dass sie - beinahe - alles tragen könnten und es egal ist, ob sie überhaupt eines anhaben. Hemd-aus-der-Hose trägt man mit 14 Jahren, um dagegen zu rebellieren, dass Mutti einem das Hemd früher eben immer in die Hose gesteckt hat. Spätestens zwei Lebensjahre später sollte man sich wieder besonnen haben. Und an die Männer, die glauben, damit ihren Bauch oder sonstwas kaschieren zu können: klappt ohnehin nicht. Geht trainieren oder steht dazu.

Die Musterwahl fällt leicht: Uni, Streifen, oder Karos. Fertig. Kein Paisley, keine Bildchen. Keine Punkte. Niemand will wie ein farbirritierter Marienkäfer aussehen. Für Karos allerdings gilt, dass sie nicht an kanadische Holzfäller erinnern sollten. Außer, der Träger ist kanadischer Holzfäller. Oder hat zumindest dessen Aussehen (über 1,90m groß, Preisboxer-Kreuz). Jeder sonst wirkt in rot-grünen Flanellkaros wie der wiederauferstandene Sänger einer gewissen Grunge-Band.

Bei den Farben sollte darauf geachtet werden, dass sie klar sind. Ich habe gegen braune Hemden absolut nichts, es sei denn, sie erinnern mich an den Streusand-Matsch auf den Straßen dieser Tage. Sonst ist erlaubt, was gefällt (an alle Anwälte, die jetzt mit ihrem pinken Hemd in der erzkonservativen Großkanzlei unangenehm auffallen: auf den Anlass darf geachtet werden).

Zu guter Letzt: der Schnitt. Jedes Hemd sollte körperbetont sitzen, natürlich sollte jedes Kleidungsstück gut sitzen. Doch bei Hemden tritt, insbesondere bei Anzugträgern, gelegentlich das Phänomen auf, dass die Besitzer meinen, das Hemd sei ja ohnehin nur "zum druntertragen" und könne auch etwas flattern. Kann es nicht. Darf es nicht. Die Ärmel werden zwangsläufig zu lang sein, was auffällt, die Brust wird Falten werfen. Und zu Kurzarm-Hemden muss ich nicht wirklich etwas schreiben, oder?

Eigentlich alles gut zu verstehen und zu befolgen. Im Ciu' jedenfalls war ich in Gedanken bereits aufgestanden, hatte den Herrn gestoppt, ihm schnell mein Brooks-Brothers-Hemd geliehen (und in den Hosenbund gestopft), ein paar gute Worte mit auf den Weg gegeben und sein Weizenglas gegen einen Tumbler vertauscht, um seinen Anbandelungsversuch zum Erfolg zu führen. In der Realität bewegte ich mich natürlich keinen Zentimeter, sondern genoss das klägliche Scheitern des Flirts, um süße Rache für die aufgestellten Härchen in meinem Nacken zu nehmen, die sein Outfit verursacht hatte.


Dorian Gray:
- prophezeit einen rasanten Sturz des McQueen-Labels
nach dem Ableben seines Schöpfers
- wünscht dem Winter alles Gute auf seiner hoffentlich baldigen Reise aus der Stadt
- möchte Einstecktücher auch bei Mänteln propagieren

Dienstag, 26. Januar 2010

Lunettics

Um den diversen modischen Eigenheiten meiner Heimatstadt zeitweise zu entrinnen, verbringe ich momentan eine Woche in Paris, der Fashion-Metropole par excellence. Es ist wirklich auffällig, wie viel besser die Menschen hier angezogen sind. Dabei muss es noch lange nicht meinen Geschmack treffen (beileibe nicht, allmählich kann ich keine Hochwasser-Hosen mehr sehen), aber, um es mit B.s Worten auszudrücken: die Leute geben sich mehr Mühe. Jeder versucht, auf seine Weise individuell-gut angezogen zu sein (Betonung: versucht) und selbst ich könnte hier meine so verpönten (dies richtet sich an meine Stamm-Leser) Ralph-Lauren-hunting-boots tragen, ohne etwas anderes als Applaus und Jubelrufe an jeder Ecke zu verursachen. Gewissermaßen.

Bemerkenswert war bereits der Flug zur Seine: selbst die Deutschen im Flieger waren besser angezogen als der Bundesdurchschnitt (mit Ausnahme des Bootcut-Jeans-Mannes mit den roten Puma-Turnschuhen und den dazugehörigen weißen Tennissocken, der sich schämen sollte, mit mir in einem Flugzeug, ja, in einem FlugHAFEN zu verweilen und der die Erwähnung in diesem Post beileibe nicht verdient hat! Außerdem eine Botschaft an den Prada-Mann, der ebendiese Marke ohne Ausnahme von Kopf bis Fuß trug, ja sogar das Prada-Handy zückte: Miuccia mag eine tolle Designerin sein, aber sie ist nicht unfehlbar. Insbesondere was diese Surfschuh-artigen Stiefel angeht. Falls das Outfit beruflich vorgeschrieben sein sollte und Sie für die Dame arbeiten: andere Stücke aus der Kollektion wählen. Oder Jobbörse konsultieren.)

Wie dem auch sei, ich habe die ersten Tage in der Stadt genossen, das volle Touristen-Programm absolviert - und natürlich mein gesamtes Vermögen, meine künftigen Erben mögen es mir nachsehen, in Mode investiert. Doch ich könnte diesen Blog auch genauso gut in die virtuelle Tonne treten, würde mir nicht auch hier, im babylonischen Schmelztiegel der Stilrichtungen, etwas gegen den Strich gehen:

die Streberbrille.

Meine geneigten Leser dürften wissen, wovon ich schreibe, denn dieser klägliche Versuch, sich optisch intelligent zu geben, füllt auch hierzulande (aus Sicht des Verfassers derzeit: dortzulande) die Modemagazine und Innenstädte. Doch ici scheint tout Paris zu versuchen, diese woody-allenesque Gesichtsbeleidigung, Modell Ray-Ban-Wayfarer oder größer, zu etablieren (da es sich um TOUT Paris handelt, ist die Streberbrille per definitionem hier offensichtlich schon etabliert, doch da ich wie immer subjektiv auf meine persönliche Ansicht Bezug nehme, weigere ich mich schlicht, dies zu akzeptieren).
Frauen mit der Ausstrahlung der Bardot in den Sechzigern, Männer mit den Gesichtszügen des jungen Alain Delon, sie alle glauben, ihre Outfits mit diesem, meist schwarzen Kassengestell des Grauens ruinieren zu müssen. Ich bin außerdem überzeugt, dass bei mindestens der Hälfte aller Brillenträger nur Fensterglas zwischen die zweifingerdicken Gesichts-Zensurbalken gespannt ist.
Es ist ja gut und schön, wenn man dazu steht, dass man eine Brille benötigt - aber wenn mir Menschen entgegenkommen, bei denen ich mich frage, ob sie eine versteckte Kamera à la "Akte 09" auf der Nase tragen, dann fühle ich mich nicht nur unangenehm oft gefilmt, sondern kann auch jedes noch so schön komponierte Outfit nur unter Vorbehalt genießen.

Auf dem Weg ins Marais begegnete ich einem Herrn mittleren Alters, Typ Rechtsanwalt oder Steuerberater. Korrekt sitzender Anzug, dezente Krawatte, elegantes Einstecktuch. Auf der Nase eine goldgefasste, dünn gerahmte runde Brille. Es ist wahr: Gold ist zu jeder Zeit eine klassisch-sichere Anlagemöglichkeit. Auch, was Brillen angeht.


Dorian Gray:
- hat seinen Hemden-Horizont von Streifen auf Karos erweitert
- empfiehlt künftigen Paris-Besuchern das "Showcase", aber erst nach drei Uhr morgens
- freut sich über die Vielzahl männlicher Taschenträger hierorts