Mittwoch, 16. Dezember 2009

Satanische Verse in der Handelskammer

Ich gebe gleich zu Anfang zu, dass ich meinen Blog geradezu sträflich vernachlässigt habe und entschuldige mich ausdrücklich bei meiner gigantischen Leserschaft für die Zeit des Darbens. Fakt ist zwar, dass mir in der Zwischenzeit genug Leute begegnet sind, die eine öffentliche Rüge und anschließende Geißelung verdient hätten (um nur einige zu nennen: Gummistiefel en masse, die wiederholte Rückkehr der Uschanka und die Dame mit den Overknees zum Chanel-Kostümchen, die aussah, als spiele sie die unartige Schülerin im Rektorzimmer), doch erstens ließ die Inspiration auf sich warten und zweitens muss man über einige menschenrechtsverletzende Modekatastrophen hinwegsehen können, um nicht permanent in Tränen auszubrechen. Insbesondere im Winter laufen nämlich beunruhigend viele miserabel angezogene Gestalten herum.

Gestern Abend jedoch war ich auf einem Vorstandstreffen. Ich saß F. gegenüber, der das grundsätzliche Problem hat, bar jeden Stilwissens zu sein (nicht nur, dass er schlechtsitzende Anzüge und quadratische Slipper trägt, nein, er glaubt auch, mich damit beeindrucken zu können, wenn er mir von seinem sechsstelligen Jahreseinkommen berichtet und vom Kauf seines neuen 5er BMWs. Man protzt nicht. Zumindest nicht auf diese niveaulose Art.). Jedenfalls verlor ich mich gerade träumerisch in dem 3D-Bild-artigen Muster seiner Krawatte, als eine Einladung der Handelskammer Hamburg herumgereicht wurde. Anlass war die "Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns", eine altehrwürdig hanseatische Institution.

Prinzipiell mag ich Events, die nach mehreren Jahrhunderten riechen und so besah auch ich mir die Einladung genauer. Angegeben war ein Dresscode, der das Faß meines modischen Verständnisses überlaufen ließ und mich zu diesem Post veranlasste. Es stand geschrieben:

Dunkle Kleidung ist erwünscht.

Ist es tatsächlich schon so weit mit formellen Anlässen gekommen? Ich habe mich zähneknirschend damit abgefunden, dass im Casino auch am Wochenende keine Sakkopflicht mehr herrscht und Anwälte in Jeans und Rollkragenpullover unter einer abgewetzten Robe im Gericht auftreten. Aber "dunkle Kleidung"? Treffen sich in der Handelskammer neuerdings Gothic-Anhänger zu einem gemütlichen Leseabend des Necronomicons bei Tee und Plätzchen? Hat der Schwarze Block seine Jahresversammlung dort angesetzt?

Wer die Bekleidungsregeln für solche Abendveranstaltungen festlegt, möge es doch bitte dann ganz sein lassen. Ich kann mir gut vorstellen, wie diejenige Person über dem Einladungsentwurf brütet und keine Lust hat, schon wieder ein Leihsakko zu bezahlen. Und dann die wundervollen anthrazitfarbenen, schwarzen und dunkelbraunen Hemden im Kleiderschrank findet, eines anzieht, in der schwarz-verwaschenen Jeans vor dem Spiegel steht und denkt: Junge, siehst du fesch aus. Und der Haifischkragen bringt das Herr-der-Ringe-Amulett so vorteilhaft zur Geltung. Frau Hahnkamm aus der Buchhaltung wird ihre Finger nicht von dir lassen können! Und schon ist so eine peinlich informelle Kleidungsvorschrift entstanden.

Eigentlich sollte ich aus purem Trotz in einem nagelneuen Tom-Ford-Smoking an der Versammlung teilnehmen und den Dresscodeerfinder mit einem huldvollen Nicken auf seinen Platz verweisen. Leider war die Einladung veraltet und das sicherlich aus modischer Hinsicht katastrophal verlaufene Event bereits vorüber. Ich musste mich also damit begnügen, beim Schreiben dieses Artikels meine neue Fliege zu tragen und einen Tumbler mit gutem Whisky in der Hand zu halten. Um kurz vor zwei Uhr nachmittags.


Dorian Gray:
- hat in den letzten Wochen seine handwerklichen Fähigkeiten perfektioniert
- bewundert den Herrn vom Samstagabend, der das Rauchen zu einer hohen Kunst erhoben hat
- kann es kaum erwarten, im Januar in Paris die ultimative modische Erfüllung herbeizushoppen

Dienstag, 3. November 2009

Strick' dich!

Novemberdepressionen werden meist durch das triste, ekelhafte Wetter und die daraus resultierende Trostlosigkeit ausgelöst.

Bei mir ist dies momentan nur indirekt so. Das Wetter steht gewissermaßen am Anfang einer Kausalitätskette, an deren Ende ich verzweifelt da stehe und nur noch den Kopf schütteln kann. Denn das Wetter sorgt dafür, dass viele, zu viele meiner Hamburger Mitbürger versuchen, sich mit äußerst zweifelhaften Kopfbedeckungen warm zu halten.
Allen voran steht auf diesem Sektor eine Wollmütze, die aussieht, als sei sie von einer sadistisch veranlagten Großmutter gestrickt worden (tatsächlich stammen diese Mützen zu 99% von einem Massenware-Modeimperium, dessen Logo aus zwei Buchstaben und dem "&"-Zeichen besteht; ein Tipp: es ist nicht D&G).

Am Samstag begegnete mir ein solcher Kopfschmuck. Er traumatisierte mich dermaßen, dass ich erst jetzt darüber schreiben kann. Das corpus delicti war schmutzigweiß, grob gestrickt, hatte zwei geflochtene Zöpfe an den seitlichen Ohrenklappen hängen und obenauf etwas, das, wenn in eine Frisur integriert, gemeinhin als "Asi-Palme" bezeichnet wird.

Erstmals waren diese Mützen in den späten 90er Jahren bei Snowboardern aufgetaucht (und hatten die "Drachenschwanz"- bzw. "Irokesenschnitt"-Mützen abgelöst), die damit gegen das Establishment protestieren, allen ihre coole und abgedrehte Persönlichkeit aufdrängen, oder einfach nur ironisch-lustig sein wollten ("Seht her, auf dem Kopf sehe ich aus wie ein Lama-Bergführer aus den Anden!"). Über ironische Modestatements habe ich mich ja erst jüngst ausgelassen.


Nun also tauchen diese Dinger auch in Hamburger Fußgängerzonen auf, um jedes noch so bezaubernde Outfit zielsicher zugrunde zu richten. Diese Mütze suggeriert, dass die Handschuhe an der Jacke festgenäht sind und die oben genannte Großmutter einem morgens die langen Unterhosen rauslegt, damit man nicht friert.

Als die Mütze mir nun begegnete, tat sie es - wie könnte es bei meinem Glück anders sein - gleich in dreifacher Ausführung. Und auch noch direkt nebeneinander. Drei Grazien in "BFF" (best friends forever, von Paris Hilton maßgeblich geprägter Jugendslang) -Manier wollten ihre innere Verbundenheit dadurch zum Ausdruck bringen, dass sie diese exakt identischen Augenbeleidigungen bei einander untergehakt nebeneinander gehend durch die Innenstadt trugen.

Meine geneigten Leser dürften meine zeitweise Atemnot nachvollziehen können. Das mittlere der drei Mädchen, nach "BFF"-Regeln also die Anführerin (die, deretwegen sich die beiden anderen früher oder später streiten werden) sah zu allem Überfluss auch noch aus, als sei sie von ihrem Malkasten vergewaltigt worden, so bunt (und definitiv nicht zusammenpassend) war sie vom Hals an abwärts gekleidet.

Es ist in Ordnung, das graue Wetter durch Farbtupfer vertreiben zu wollen. Es ist hingegen nicht in Ordnung, wenn die Farbtupfer alle gleichzeitig versuchen, dasselbe Outfit zu bespringen. Rote Leggings, blaues Flatterkleidchen, grüner Mantel, sandfarbene Ugg-Boots und rotbraun gemusterter Schal... Ich jedenfalls musste minutenlang den angenehm tiefgrauen Novemberhimmel anstarren, um meine Augen wieder zu beruhigen.


Dorian Gray:
- entrichtet an dieser Stelle einen Gruß an B.s Hut, der das Mützenproblem zutiefst elegant umschifft
- würde in Zukunft gerne öfter Fliege tragen
- hat endlich seine "Queen - Greatest Hits"-CD wiedergefunden

Donnerstag, 1. Oktober 2009

Aussageverweigerungsrecht

"Meine Alten waren im Urlaub auf Sylt - und alles, was sie mir mitgebracht haben, ist dieses lausige T-Shirt."

So lautete der Spruch auf dem Oberbekleidungsstück, für das ich M. aus meiner Grundschulklasse so sehr beneidete. Ich bettelte und flehte bei meinen Eltern, ob sie mir nicht auch so ein Shirt voller Witz, Esprit und Ironie auf der Insel kaufen könnten, doch sie blieben erbarmungslos. Leider hatte ich noch kein eigenes Einkommen, denn es waren die frühen 90er Jahre und Arbeit war bei Achtjährigen eher unüblich.

Rückblickend bin ich meinen Eltern wirklich, wirklich dankbar, dass sie sich geweigert haben, ein T-Shirt mit aufgedrucktem Spruch zu kaufen. Denn Klamotten mit -geschriebener- Aussage sind, ebenso wie Schuhe mit Blinklichtern an der Hacke, der Macarena-Tanz und eben der Ausdruck "meine Alten", trauriges Zeugnis der Neunziger - und sollten auch dort bleiben.

Doch leider begegnet man auch heute noch Verfechtern, die die Überzeugung "meine Kleidung muss etwas aussagen" etwas zu wörtlich vertreten. Im letzten Monat begegnete mir zwei Mal der "Waschbärbauch", jeder Dorfjugend-Junggesellenabschied (ich verzichte dankend auf die politisch korrekte "/-innen" Anpassung) schmückt sich mit "Game Over", "letzter Tag in Freiheit", oder einfach nur "Jürgen", "Manni" und "Die Ann-Kathrin".

Exkurs - An dieser Stelle ein Hinweis an den künftigen Ausrichter meines Junggesellen-Abschiedes: sollte an diesem Tag jemand mit einem "lustigen" T-Shirt auch nur in meine Nähe kommen wollen, sollte er zuvor seinen Frieden mit der Welt geschlossen haben. Ich werde ein Hemd, je nach Anlass gegebenenfalls kombiniert mit einem Sakko tragen. Oder nichts. Nichts wäre auch in Ordnung.

Warum nur trägt man zu diesem eigentlich doch freudigen Anlass T-Shirts, die die Hochzeit als schlimmstmögliche Zukunftsvorstellung darstellen? Sollte man dann nicht noch einmal über die Vermählung per se nachdenken? Mit dieser Einstellung in die Ehe zu gehen, dürfte auch für den Partner ein eher zweifelhaftes Vergnügen sein. Und ja, ja, ich höre schon die Stimmen der alkoholisierten Feierwütigen: "Das ist doch ironisch gemeint!"
Kleidung sollte niemals ironisch gemeint sein. Denn die Ironie erschließt sich mit Sicherheit nicht auf den ersten Blick, wahrscheinlich sogar niemals (schließlich sollte man sich mal ansehen, wie andere Menschen so rumlaufen, die keinesfalls ironisch sein wollen...), was zur Folge hätte, dass jeder Ironiker am Besten eine Mütze tragen sollte, auf der geschrieben steht, dass sein Outfit bzw. die damit verbundene Aussage ironisch gemeint sind. Womit wir wieder bei der Aufschrift auf Kleidung wären. Und wer weiß dann, dass diese Mütze nicht auch wieder ironisch gemeint ist?

Meine geneigten Leser dürften das Problem also sehen. Kleidung mit Aufschrift sollte Leuten wie der "Feuerwehr" oder der "Polizei" überlassen werden. Doch leider hat die Aussagekraft auf T-Shirts nun auch in der -preislichen- Oberklasse Einzug gehalten. Ich zitiere von der Homepage einer in der Innenstadt gelegenen Einkaufspassage:

"Die Kollektion aus Shirts, Jacken, Blusen & Hemden, sowie Sweats - teilweise opulent verziert mit dem Feinsten des Feinen: CRYSTALIZED / Swarovski Elements - war bisher nur in Berlin erhältlich."

Ich lasse desweiteren ein Bild sprechen, weil ich nicht wüsste, wo ich anfangen soll, wüst über den beschriebenen Laden herzuziehen, der besser in Berlin hätte bleiben sollen.


So. Die Aussage über das "Feinste vom Feinen", die "Crystalized Elements", übergehe ich mal geflissentlich. Aber: "Großstadt-Adel"? Zu welchem Anlass konkret trägt man das? Wenn man auf dem Dorf die oben erwähnten Junggesellen beeindrucken möchte? Im Übrigen gehe ich davon aus, dass etwa 100% der Träger, wie auch die Designer dieser Jacke den "Gotha" noch nicht mal von weitem eingesehen haben, geschweige denn darin Erwähnung finden.

Ich möchte meine geschätzten Leser außerdem auf das beinahe unauffällige Top auf der linken Seite aufmerksam machen. "Save the Animals: Den Nerz im Schrank / Den Jaguar in der Garage / Den Hengst im Bett"
Die silikonbebrüsteten (wie kommt mir bloß dieses Bild in den Kopf...?) Trägerinnen dieses Meisterwerkes werden unter Garantie nur höchstens zwei der beschriebenen Tiere haben. Sind es die ersten beiden, liegt im Bett ein Manati mit dickem Bankkonto - der junge Hengst soll dann auf diese überaus ansprechend-frivole (an dieser Stelle setze ich mein "Ironie"-Mützchen wieder ab) T-Shirt-Aussage anspringen.
Die Alternative ist die Frau, die nichts von alledem hat und die, dank des Humors eines Bierkutschers (an dieser Stelle ein Gruß an alle noch lebenden Vertreter dieses Berufsstandes) den Spruch urkomisch findet und ihn ganz hervorragend zu ihrem, ebenfalls Swarovski-besetzten, Ed-Hardy-Cap kombinieren kann. Oder eben zu Hengst-Mannis "Waschbärbauch"-Shirt, wenn er neben ihr läuft. Der Waschbär ist schließlich auch ein possierliches Tierchen.


Dorian Gray:
- hat endlich die perfekte Lederjacke gefunden
- musste heute schon zum zweiten Mal ohne Anwaltszulassung vor Gericht auftreten
- dankt dem "promovierten Volkswirt" vom Neuen Wall für seine wirren Ausführungen über politische und wirtschaftliche Verhältnisse

Donnerstag, 10. September 2009

Gentleman, Questioning

Ich bin zurück von einer Woche Urlaub im stilfreien Raum - wo aber immerhin die Sonne schien. Diesem Urlaub einen Post zu widmen, halte ich für überflüssig und unproduktiv, denn schließlich bin ich sogar mit der Erwartung dorthin gefahren, in der Modehölle zu landen. Der Ausspruch meines mitreisenden Freundes B. beschreibt die dortigen Umstände am Besten: "Man hat noch mehr als sonst das Bedürfnis, sich gut anzuziehen." Anders gesagt: All inklusive (sic!) in Osteuropa, mit Speedos, gefälschten Ed-Hardy-T-Shirts (schon im Original eine Zumutung) und sonnengerösteten Fettschürzen, die dem Träger eine Intimbereichsreinigung ohne Zuhilfenahme von Spiegeln und einer Teleskopstange unmöglich machen.

Jeder mit durchschnittlich entwickeltem Schambewusstsein ausgestattete Mensch sollte sich also im Klaren darüber sein, dass sämtliche dort erspähte Stilsünden niemals passieren dürfen und es erübrigt sich für mich, darüber aufzuklären. Alle anderen mögen es bitte unterlassen, meinen Blog zu lesen.

Am Dienstag bin ich nun also von besagter Reise zurückgekehrt. Es war sogar eine Wohltat, "normal" angezogene Menschen zu sehen; umso mehr freute ich mich daher auf die Herbst/Winter-Ausgabe der GQ Style, die jüngst erschienen war. Gleich am nächsten Tag wechselte ein Exemplar in meinen Besitz und ich fuhr in freudiger Erwartung von "168 Fashion Trends für den Mann" (Titel) nach Hause. Die Vorstellung: mindestens zwei Stunden bekomme ich wässrige Augen ob der schönsten Anzüge, Mäntel und Pullover der Saison. Die Realität: auf 380 Seiten findet sich genau ein Teil, für das ich eine Hypothek auf mein nicht vorhandenes Haus aufnehmen würde (Diese wäre auch nötig - natürlich ist das Dinnerjacket ausgerechnet von Tom Ford).
Ansonsten: nichts. Mit Inbrunst und vollem Ernst werden da über vier Seiten die künstlerisch sicherlich wertvollen, aber definitiv untragbaren Looks von Gareth Pugh und Rick Owens gepriesen, eine Jockeymütze von Lanvin steht für das Nonplusultra der winterlichen Kopfbedeckung und die Etro-Jacke, in der unser geliebter Star-Wars-Chewbacca seine letzte Ruhe gefunden hat, wird "gekonnt" mit Neil-Barrett-Leggings (!!!) in Szene gesetzt.

"Das liegt doch wohl an den Designern", mag der geneigte Leser denken, "nicht an der Zeitschrift." Sicher, dieser Schluss liegt nahe. Doch wenn man sich mal andere Teile aus den Kollektionen via Internet herauspickt, zeigt sich, dass es, wie eigentlich jedes Jahr, die untragbaren und die tragbaren Teile gibt. Warum muss es die Plastikhose von Kostas Murkudis sein und nicht die feuerrote Bundfaltenhose? Weshalb das Bondage-Oberteil von Givenchy und nicht einer der vielen grandiosen Anzüge? Wieso ein Kilt (mehrmals) und nicht... wieso überhaupt ein Kilt? (Der hat das Attribut "skandalös" ohnehin schon lange, lange verloren und ist einfach nur noch witzlos.)

Sicher, auch die "Gentlemen's Quarterly" möchte keine 08/15-Mode zeigen und pickt sich deshalb die extravaganteren Schmuckstücke der Designer heraus. Doch Tatsache ist, dass auch die Designer kaum erwarten, dass man ein mit Samt überzogenes Gestell (ja, Gestell, und zwar für den Kopf) auf offener Straße trägt. Es ist okay, solche Teile zu zeigen und ihr innovatives Dasein zu bewundern. Es ist nicht okay, sie unter der Maxime "Trends der Saison" an den Mann bringen zu wollen.

Wenn dann auch noch in gleich zwei Interviews die Aussagen vorkommen, dass "Mode eigentlich egal ist", bzw. "immer das aus dem Kleiderschrank geholt [wird], was zuoberst liegt" (in einer MODEZEITSCHRIFT!!), dann ist erstens Josh Hartnett das Geld nicht wert, das er für das erste Interview bekommen hat und zweitens sollte der verantwortliche Redakteur gezwungen werden, mit dem van-Beirendonck-Gestell auf dem Kopf herumzulaufen, wenn er solche Leute für die Zeitschrift rekrutiert. ("Hey, wir können Josh Hartnett bekommen, Pearl Harbor und so, den packen wir auch gleich aufs Cover, den kennt man, das regt zum Kauf an." - "Der macht sich eigentlich gar nichts aus Mode." - "Ist egal, sucht ihm was Schönes aus dem Archiv, zupft ihm bloß nicht die Augenbrauen und macht ein paar bedeutungsschwangere schwarzweiß-Bilder.")

So, meine Enttäuschung ist niedergeschrieben, die 6,80 € (das wären immerhin zwei Kaffeeverschnitte bei Balzac!) sehe ich nicht wieder und allen, die die GQ noch nicht gekauft haben, empfehle ich stattdessen die Vogue International Hommes (wahrscheinlich bleibe ich trotzdem Persona non grata bei Condé Nast, die natürlich jedes meiner Worte verschlingen) für unverschämte 12,50 €. Hier sind eher langweilige Stücke drin. Aber die Models sehen um Längen besser aus.


Dorian Gray:
- wird seine Posts künftig nur noch von seinem oh-so-tollen neuen Handy unterwegs schreiben
- freut sich darauf, bald wieder die Wintergarderobe zu tragen
- kann es kaum erwarten, den neuen Ralph-Lauren-Shop von innen zu sehen

Donnerstag, 13. August 2009

Sommerloch

Beinahe einen traurigen Monat mussten meine geneigten Leser nun auf einen weiteren Blogeintrag warten. Der Grund dafür: in dieser Stadt passiert bei Temperaturen über 20 Grad (Hamburger Hochsommer) nichts Skandalöses, was einen Eintrag wert gewesen wäre. Modesünden laufen - nicht zuletzt dank der Touristenmassen in der Innenstadt - weiterhin durch die Gegend, aber muss ich nun wirklich anfangen, über Kurzarmhemden, Plastiksandalen mit Reptiliennamen und Caprihosen zu schreiben? Auch der unverschämt-forsche Zimmerservice im Hotel Atlantic ist keinen vollen Post wert gewesen.

Stattdessen liege ich im Garten und versuche, meinen Teint von seiner Robert-Pattinson-vampiresken Blässe zu befreien. Auch heute ist wieder ein perfekter Tag zum Sonnen. Warum also bräune ich mich nicht? Weil der Akku meines iPods leer ist. "Halb so schlimm", mögen meine Leser nun denken. Man kann ja auch mal die Stille genießen. Oder zumindest Vogelgezwitscher, rauschende Bäume und das gelegentliche Grollen eines Porsche 911, der auf der Straße vorbeifährt.

Weit gefehlt - in diesen Tagen benötige ich laute Musik im Ohr, um die Sonne genießen zu können. Der Grund dafür sind H. und C. aus der Nachbarschaft, den Stimmen nach zu urteilen etwa im Grundschulalter. Die beiden Geschwister haben mich schon letzten Sommer mit ihren schrillen Organen erfreut; das spielerische Schreien wurde nur beizeiten von einem männlich-halbherzigen "Hör' auf, deine Schwester zu ärgern" (gerichtet vom erzieherisch nachlässigen Vater an Filius H.) unterbrochen.
Letzte Woche dann haben H. und C. ein neues Spielzeug entdeckt, das ihnen sehr viel Freude bereitet: eine Hupe. Von der Lautstärke her dürften sie sie aus Papis Auto entwendet haben. Der markante Warnton schafft es sogar, den Gesang von ABC zu übertönen, wenn ich wieder einmal in 80er-Jahre-Nostalgie schwelge. Und die beiden Kleinen können sich mit einem so einfachen Gerät stundenlang beschäftigen.

Kinderfreundlichkeit hin oder her (ich bin es nicht, nur tolerant), manchmal überlege ich, ob ich nicht ein Wasserbombenkatapult konstruieren sollte. Oder wäre das zu kindisch? Man munkelt, dass auch brennende Kreuze im Vorgarten eine nicht zu verkennende Wirkung haben sollen. Allerdings würden H. und C. dann wahrscheinlich die Sirene des anrückenden Feuerwehrwagens stehlen und mir die Nachmittage damit versüßen.

Die Hupe ist jetzt gerade still. C. hat nämlich Klavierstunde. Bedeutet: "Für Elise", für die ganze Nachbarschaft. Bei offenen Fenstern und Türen.

Dorian Gray:
- sucht nach der vorvorletzten Folge "Gossip Girl" überall nach einem orangefarbenen Trenchcoat
- hat heute den letzten Tag in seiner Teilzeit-Männer-WG
- kann "American Apparel"-T-Shirts nicht mehr sehen

Freitag, 17. Juli 2009

Deutscher Strandard

Am Strand hat man ja meist nur wenig an; also kann man beim Outfit auch nicht viel falsch machen.



Der obige Satz ist so falsch, dass es beinahe körperliche Schmerzen bereitet, ihn zu tippen. Der einzige Grund, aus dem ich ihn schreibe, ist, dass ihn tausende Deutsche ganz offenbar denken, bevor sie sommers an die Küsten aufbrechen.

Gestern bin ich gemeinsam mit L. und B. ebenfalls ans Meer gepilgert. Der Zweck des Kurztrips war Entspannung; diese fällt jedoch schwer, wenn man die bisweilen schon verstörenden Unzulänglichkeiten seiner Mitmenschen ohne Umschweife geradezu ins Gesicht gepresst bekommt. Ich will keinesfalls sagen, dass Schönheitsfehler etwas Schlimmes sind. Doch wer mit Mitte siebzig noch immer glaubt, möglichst viel Haut (die meist an eine gut patinierte Belstaff-Lederjacke erinnert) der Sonne entgegenstrecken zu müssen und lediglich den engstausgelegtesten Begriff von "Intimbereich" mit Stoff zu bedecken, der irrt.
Selbiges gilt ebenfalls für Damen und Herren, deren Waage ein dreistelliges Ergebnis (VOR dem Komma) anzeigt. Streifenfreie Bräune gut und schön, aber, bei allem Respekt: niemand will einen blanken Busen sehen, der beim Baden im Meer schon nass wird, bevor der Wasserspiegel den Bauchnabel erreicht hat. Für diejenigen unter uns, denen dieser Anblick oder der von "ruf-mich-an-und-frag-nach-Oma" doch zusagt, gibt es einschlägige Seiten im Internet, die doch bitte auch genutzt werden mögen.


Meinen Geschlechtsgenossen hingegen möchte ich für einen gelungenen Strandaufenthalt einige Stichworte mit auf den Weg geben: 1. Wachsstreifen, 2. No-Speedo, 3. Gym.

1.
"Der Bär dort greift das Kind an!", war mein erster Gedanke, als B. mich auf einen, nun ja, korpulenten Herren mittleren Alters aufmerksam machte, der in einer sehr knappen Badehose (dazu kommen wir gleich noch) auf dem Steg seine -mutmaßliche- Tochter zum Wasser führte. Auf seinem gesamten Oberkörper wuchs ein Fell, welches John Galliano für sämtliche Pelzoutfit seiner Damen-Winterkollektion hätte benutzen können. Als der Bär sich dann ins Wasser hinabließ, wogte das Haar sanft wie Seegras hinter ihm her. Ich war froh, dass er nicht in meine Nähe schwamm; ich hätte Angst gehabt, mich darin zu verfangen. Über den ästhetischen Anspruch muss man nicht streiten.

2.
Alle Männermagazine predigen immer wieder, die Finger von Surfershorts zu lassen und doch lieber knappere Modelle zu wählen. Ich bezweifle, dass die hier angesprochenen Männer ihre Speedos aufgrund dieser Artikel zum Strand anziehen, doch es sei gesagt, dass alles, was knapper oder genauso knapp sitzt wie Badebriefs, höchstens von Leuten wie dem italienischen Schwimmteam getragen werden sollte - man beachte die neueste Anzeigenkampagne von Dolce&Gabbana.


(c) Dolce & Gabbana, 2009 (jaja, ich bin Jurist.)


Grundsätzlich gilt, dass bei zunehmendem Alter auch die Menge des getragenen Stoffes zunehmen sollte. Kurze Badeshorts, die bis knapp über das Knie reichen, gehen auch bei älteren Jahrgängen und halten meine Phantasie davon ab, sich gruslige Details auszumalen - beziehungsweise entblößen diese Details, im Gegensatz zum deutsche-Bademeister-Modell, nicht.

Schienenbeinlange Surfer-Shorts sind ohne Surfbrett in der Nähe, sowie bei einem Alter beginnend mit einer höheren Zahl als "2", ein Unding. Alle mit dem passenden Alter mögen bitte auch den Punkt mit dem Surfbrett beachten.

3.
Fettschürze. Das Wort an sich klingt schon unschön; wenn man Ratespiele veranstalten kann, ob unter dem Bauch noch eine Badehose verborgen ist oder nicht (die Auflösung bekommt man von hinten), sollte DRINGEND ein gewisses Trainingspensum erfüllt werden, um Abhilfe zu schaffen. Joggen gehen oder, ich mag es kaum glauben, dass ich das tatsächlich schreibe, nordic walken gehen kann doch wohl jeder.


"Das ist doch nicht nur bei uns so, dass gibt es überall auf der Welt", mag der erboste, alte, dicke, nackte Deutsche jetzt ob meiner Überschrift zu diesem Post denken. Leider falsch. Im Ausland treten die von mir beschriebenen Gräuel zwar ebenfalls auf, doch wenn man dem Geplauder der so an- (bzw. aus-)gezogenen Leute lauscht, dann dringt beinahe immer das germanische Idiom an das Ohr des Zuhörers. Deutsche im Urlaub, so lautet das Stichwort.
Ich habe es bisher noch nicht nach Brasilien geschafft, doch man munkelt, dass dort ein anderer "Strand-Style" herrscht. Dieser behandelt die Nacktheit zwar anders als ich hier in meiner Niederschrift. Doch die Leute dort können es sich offenbar auch erlauben. Ich jedenfalls werde nun noch ein wenig für den Sommerurlaub mit B. trainieren. Und mal recherchieren, was eigentlich so ein Privatstrand kostet.


Dorian Gray:
- hat seit seinem Gozo-Urlaub ein Seeigel-Trauma
- freut sich, dass auch "Anonyme" mittlerweile den Blog lesen und kommentieren
- möchte Chuck Bass' Kleiderschrank ausrauben

Sonntag, 5. Juli 2009

Und es war Sommer...

Möglicherweise ist es den zahlreichen Lesern meiner gedanklichen Ergüsse schon aufgefallen: ich beschwere mich gerne. Jedenfalls was meine Umgebung angeht. Prinzipiell bin ich ja für Sommer und alles, aber bei dreißig Grad ist es mir in der Sonne fast schon wieder zu heiß. Fast; man will ja braun werden. Aber die Hitze macht träge und führt zu Kopfschmerzen bei mir und unansehnlichen Flecken auf den Kleidungsstücken vieler Menschen, vorzugsweise in öffentlichen Verkehrsmitteln. Das Geräusch, wenn sich ein unterhemdtragender, rückenbehaarter Mann in abgeschnittenen Jeansshorts von einem U-Bahn-Plastiksitz löst, sorgt für Erheiterung und Ekel gleichermaßen.

Erstaunlicherweise hat sich, trotz der hohen Temperaturen, ein Outfit hartnäckig über Winter und Frühling bis in den Sommer gerettet, obwohl ich vermute, dass es zu unerträglichen Hitzestaus in den Beinen führen kann: ich beziehe mich auf dasjenige, welches die gängigen Zeitschriften (und ich meine nicht die guten wie Harper's Bazaar oder Vogue, sondern spiele eher auf einen der Hauptsponsoren von "Germany's Next Topmodel" und dessen Mutationen an) uns als "die moderne Frau" verkaufen wollen.
Diese Spezies trägt - wir arbeiten uns von oben nach unten durch - ein Haarband, eine Ray Ban Wayfarer (meist eine beinahe identische, ungleich günstigere Nachahmung) , ein Kleid, das früher in einem Übergrößen-Laden für Männer als T-Shirt verkauft worden wäre, einen Lederimitat-Gürtel um die Hüften. Das Glanzstück, oftmals zweideutig zu verstehen, folgt jetzt: die Leggings. Den Abschluss machen, - im Vergleich zur vorigen Etappe unspektakuläre - Ballerinas oder, bei "ich-bin-rockig-Mädchen", Chucks.

Meine geneigten Leser dürften schon ahnen, bei welchem Teil dieses Ensembles mein modisches Herz zu schmerzen beginnt. Ich bin ein großer Fan der 80er Jahre, wirklich. Damit meine ich die Musik, die Autos, das savoir-vivre. Ich meine nicht, NICHT, WIRKLICH NICHT die Mode (bis vielleicht auf die Pastelltöne, wie Kenner meines Kleiderschrankes jetzt wohl denken). Ja, es war lustig, man sieht sich jetzt die Fotos an, hihi, was haben wir damals getragen. Fernsehserien aus dieser Zeit verdienen das schöne Attribut "nostalgisch". Aber warum bitte muss man ausgerechnet die Leggings wiederbeleben, seit dem letzten Jahr künstlich ernähren und den Stecker um jeden Preis drinnen lassen? Michael Jackson, Gigant der 80er, ist verschieden. Weshalb leben Leggings weiter?

Es gibt sie in den grusligsten Ausführungen: Neon (ich äußerte mich bereits zu Neon), glänzendes Leder, Pailletten, bunt oder einfach nur schwarz. Ich möchte es an dieser Stelle wagen, den Gedanken hinter diesem Kleidungsstück ernsthaft anzuzweifeln. Denn was tut eine Leggings? Sie färbt die Beine ein. Konturen sind noch bestens zu erkennen, sie schmiegt sich an wie eine zweite Haut. Das Problem liegt auf der Hand: viele Damen, die ihre Beine zuvor niemals in ein viel zu knappes Kleid gesteckt hätten, glauben, sich dies aufgrund der Leggings erlauben zu können. Dies ist nicht der Fall.

Bei den Frauen wiederum, die das männliche Auge gern in luftigen Sommerkleidern (ich spreche nicht von den oben erwähnten "T-Shirts") sehen möchte, wäre die Leggings schlichtweg überflüssig. Rasiert euch die Beine und dann weg mit den Dingern, es ist Sommer! Alle, die ihre nackte Haut dennoch verhüllen wollen, seien Strumpfhosen oder halterlose Strümpfe empfohlen (das sind die MIT Fuß). Was bringen denn die paar nackten Zentimeter am Schienenbein? Das ist doch inkonsequent. Ganz oder gar nicht. Am liebsten gar nicht.


Dorian Gray:
- erfindet gerne neue Adjektive
- findet, dass "Summertime" vom Fresh Prince eines der großartigsten Lieder zum in der Sonne liegen ist
- findet Touristen hochamüsant

Donnerstag, 18. Juni 2009

Anzüglichkeiten

Ich gebe es ja zu, diese Seite verkommt immer mehr zu einem Mode-Blog - genau genommen war sie nie etwas anderes, wenngleich nicht so geplant. (was den Inhalt dieses Blogs angeht, sei auch noch auf die Kommentar-Diskussion des vorherigen Posts verwiesen.) Allerdings treibe ich mich momentan auch zu wenig an der Uni herum, als dass ich aktuelles Geschehen aufsaugen und anprangern könnte.
Heute jedoch bin ich tatsächlich da gewesen; die Gedanken, die zu diesem Post führten, kamen allerdings erst bei der Rückfahrt mit der S-Bahn auf. Ich teilte mir mein Sitzcarré mit zwei Männern, die auf ihren Visitenkarten vermutlich irgendwo das Wort "Manager" untergebracht haben (mit möglichst vielen englischsprachigen Ergänzungen davor). Dass sie wichtig sein wollten, machten nicht nur die beiden durchgehend konsultierten Blackberrys, sondern auch ihre Gespräche deutlich. Ein Auszug:

A: "Also, India ist dann praktisch das managing committee und Germany das, äh, ausführende committee."
B (tadelnd): "Du meinst das executing?"
A: "Genau, ja."

Bitte kein Fremdwort auslassen, wenn möglich. Was jedoch meinen Unmut auf die Spitze trieb, war ihre Arbeitskleidung.
Wer sagt, dass ein Mann im Anzug immer gut angezogen ist, der hat recht. Wer aber vergisst zu erwähnen, dass auch für einen Anzug gewisse modische Regeln gelten, dem sollte verboten werden, seine Meinung zu Anzügen kundzutun.
Die beiden Männer jedenfalls hatten, wie leider so viele Anzugträger, so einiges falschgemacht. Beide trugen sie anthrazitfarbene Anzüge (prinzipiell gut) mit dicken, weißen Nadelstreifen darauf, die einem Zebrastreifen zur Ehre gereicht hätten (schlecht, sehr schlecht). Der dickere von ihnen hatte es nicht geschafft, seine Krawatte so zu binden, dass sie bis zum Hosenbund reichte; bei dem grausamen beige-braunen Drogeneinfluss-Muster des Binders war dieser Umstand allerdings auch schon unerheblich.
Der große, schlanke, dessen Anzug in etwa so gut saß wie ein hawaiianischer Muumuu (es muss ja nicht gleich maßgeschneidert sein. Aber Passform gibt es auch von der Stange, wenn man seine Größe kennt), komplettierte die optische Grausamkeit mit Schuhen, die von Form und modischem Chic her an die Kartons erinnerten, in denen Schuhe für gewöhnlich verkauft werden.

Achtung: wenn Ihre Schuhe in irgendeiner Weise als "eckig" oder "kantig" bezeichnet werden könnten, oder Ihr mathematisch begeisterter Freund interessiert die spannenden Winkel daran ausmisst, bitte ausmustern! Die Spitze eines Schuhs sollte außerdem gerade NICHT spitz sein, sondern rund.

Mehr als konsequent war es jedenfalls, dass sich die beiden Herren für die Kombination eines braunen Gürtels zu schwarzen Schuhen entschieden hatten. Ich verkroch mich, gedanklich weinend, hinter meiner Tom-Ford-Sonnenbrille. Und lauschte weiter den Schilderungen zur Lage des managing directors im fernen India, dem gerade noch vom Blackberry die letzte Mail zum Thema wasweißich geforwarded werden musste.


Dorian Gray:
- hat am Wochenende anderthalb Stunden in der Notaufnahme verbracht, ohne männlich-vorweisbares Ergebnis
- steht dem Hamburger Sommer mit äußerstem Misstrauen gegenüber
- sieht sich jetzt schon wieder Unsummen beim anlaufenden summer sale ausgeben

Donnerstag, 4. Juni 2009

Angst essen Seele auf

Natürlich gibt es bei modischen Eigenheiten nicht immer nur "falsch" oder "richtig". Wie bereits öfters erwähnt, ist vieles Geschmackssache. Über viele modische Fehltritte lässt sich allerdings nicht diskutieren - schon gar nicht mit mir. Doch man beachte: "falsch" kann oftmals nicht bloß falsch sein. Es geht noch weit schlimmer. Ein Beispiel:
Wenn man ein T-Shirt trägt, dass permanent einen Streifen Bauch hervorblitzen lässt, so fällt dies unter "Fauxpas". Kurze Shirts sind okay, zu kurz - nein. Wenn man (und von jetzt an gehe ich nur noch von weiblichen Beispielspersonen aus, denn in Kategorie 1 gibt es durchaus noch männliche Vertreter, im Folgenden eher nicht mehr - zumindest nicht abseits des CSD) nun aber BEWUSST ein bauchfreies Shirt, Top, was-auch-immer aus dem Kleiderschrank zieht und sich allen Ernstes denkt "hm, das könnte ich mal wieder anziehen. Da blinkt mein Playboy-Bunny-Piercing auch so schön aus dem Bauchnabel hervor", ist das kein Fauxpas mehr, sondern schon eine regelrechte Stilsünde. Erstens sind die Neunziger vorbei, zweitens war das schon damals furchtbar (auch, wenn es noch niemand wusste) und drittens haben 90% aller Frauen, die sich für ein solches Outfit entscheiden, nicht den geeigneten Bauch dazu.

Es geht nicht schlimmer? Selbstverständlich. Und ich möchte betonen, dass die folgende Schilderung nicht meiner grusligen Phantasie entsprungen ist, sondern sich heute genau so!!! im Balzac Coffee-Shop in der Langen Reihe ereignete, als ich nichtsahnend mit L. dort saß und meine Kaffee-Vergewaltigung schlürfte.
Auftritt "Stil-GAU". Wobei man das Wort "Stil" hier nicht mehr benutzen sollte, auch nicht für eine Negativ-Beschreibung, denn es gibt nichts, was der Bedeutung von Stil ferner läge. Jedenfalls öffnet sich die gläserne Tür und der Modegott (uh, damit habe ich auch Blasphemie in diesen Blog eingebaut) weint über das, was kommt.
Sie. Bauchfrei, natürlich. Links und rechts wallt und wogt weißes Fleisch über die beige Stretch-Schlaghose. Das Ganze in Kombination mit roten Turnschuhen mit KLETTVERSCHLÜSSEN (diese totaaaal angesagten, schrägen Klettverschlüsse) und blonden, längst weit rausgewachsenen Strähnen inmitten des braunen Pottschnittes. Zurück zur Körpermitte: Das Top lässt nicht nur den Bauch frei. Nein, es ist auch noch gemustert. Gemustert!! Es scheint einem Alptraum der 60er Jahre entsprungen zu sein: Brauner Grundton, darauf verteilt in Reihen angeordnete, 5-Mark-Stück-große rote Punkte mit silbrig-blauer Umrandung. Stretch-Stoff. Dezente Falten am Bauch. Und ich meine nicht Falten im Stoff.

Im Radio läuft gerade "Everybody Hurts" von R.E.M. Ich mag R.E.M. nicht, aber das Lied trifft den Ton meiner Stimmung angesichts dieses Desasters. Falls die werte Dame meinen Blog tatsächlich lesen sollte (ha, ha) : ich biete mich für ein Umstyling an. Ich BEZAHLE sogar dafür. Und das ist doch ein Angebot, oder nicht?


Dorian Gray:
- hat gestern seine Gelüste beim "Private Sale" von Ralph Lauren befriedigt
- trägt seine Wunden und blauen Flecken vom Wochenende mit Stolz
- hält "Fegefeuer der Eitelkeiten" für einen Meilenstein der Literatur, aber kann mit Goethe nichts anfangen

Samstag, 16. Mai 2009

Grundregeln

Samstag ist Shopping-Tag. Genau genommen weiß ich nicht, warum ich bei diesen Menschenmassen am Wochenende nicht einfach unter der Woche in die Innenstadt gehe - andererseits hat man dann viel mehr zum gucken und lästern. So auch heute, mal wieder mit H., köstlich amüsiert.
Leider besitzen viele Menschen kein Stilgefühl. Das hat nichts mit Gehässigkeit zu tun, das ist einfach eine Tatsache. Klar, es gibt häufiger Lichtblicke (der Vater, der sein Kind im Kinderwagen spazieren fährt und mit Sakko, Einstecktuch, offenem Hemd und Wildlederschuhen einfach perfekt abgestimmt angezogen ist, verdient eine besondere Erwähnung. Sollte er auf verqueren Wegen jemals dazu kommen, diesen Blog zu lesen: très chic!) , aber ein unangenehm großer Teil von Menschen ist schlicht und ergreifend be***issen angezogen. (Darf man im Internet fluchen? Ha, ha. Nicht, dass es auch Tierpornografie und Kinderhandel hier gäbe. Aber wir wollen ja ein gewisses Niveau halten, deshalb: "...schlicht und ergreifend unvorteilhaft angezogen")
Klar, über Geschmack lässt sich streiten. Obwohl das hier ja mein Blog ist und ich deshalb Narrenfreiheit besitze, was Urteile über die Wiederkehr von Jeansjacken oder Schulterpolstern angeht ("Nein" und "Nein"), gebe ich gerne zu, dass es überall irgendjemanden gibt, dem irgendetwas ganz hervorragend steht, worin jeder andere Mensch auf der Welt grausam aussähe. Gewusst wie, lautet die Devise zum Kombinieren. Trotzdem gibt es vier Dinge, die niemals gehen. Ich wiederhole: niemals. (über richtige und falsche Männertaschen habe ich mich ja schon zwei Posts zuvor ausgelassen)

1. Partnerlook
Aufeinander abstimmen: meinetwegen. Wenngleich auch schon etwas verquer. Aber ähnliche oder sogar identische Kleidungsstücke. Bitte. Bitte. Nicht.

2. Neon
Muss ich das ehrlich noch weiter ausführen?

3. Funktionskleidung
Die Bezeichnung "Funktions-..." kommt nicht von ungefähr. Diese Art von Kleidung erfüllt einen weitergehenden Zweck als nur zu kleiden und sieht leider auch so aus. Also bitte, alles, was "vor kurzem in dieser Bergsteiger-Reportage aufgetaucht ist" - weglassen. (Das gilt für die Stadt. Jeder, der mich jetzt verflucht, weil er sich in der Antarktis in seinem hauchdünnen Gucci-Blouson die Nippel abfriert, hat nicht aufgepasst. Wenn die Funktion von Funktionskleidung tatsächlich genutzt werden soll, dann bitte, auf jeden Fall! Man beachte allerdings Punkt 2 dieser Aufstellung. Der gilt wiederum nämlich immer.)

4. Ed Hardy
Ob ich jetzt Morddrohungen von Leuten bekomme, die ihre Caps nicht ganz auf den Kopf setzen können, weil dann ihre hochgegelten Haarspitzen abbrechen? Dieses Label hatte nur eine sehr kurze Halbwertzeit - und das Verfallsdatum ist mittlerweile lange überschritten. Bitte keine Tattoo-Motive mehr. Christian Audigier, Sie können gerne weiter bei GNTM und Taff in Reportagen auftauchen. Aber Ihre Produkte mögen Sie doch bitte an Britney Spears schicken. Nicht mehr nach Europa.

Sollte jemand diese Liste erweitern wollen, bin ich gerne offen für Eingaben - oder werde sie gegebenenfalls gehässig widerlegen. Umgekehrt werde ich mich allerdings nicht von diesen vier Punkten abbringen lassen.


Dorian Gray:
- hat sein zweites Buch theoretisch fertiggeschrieben
- würde für DEN Hermès-Gürtel zur Not auch töten
- kann sich gerade nicht zwischen Tiefkühlpizza und wieder aufgewärmtem chinesichen Essen entscheiden

Dienstag, 5. Mai 2009

Kein Klatsch, kein Tratsch...

Der Grund dafür, dass so lange kein Post mehr erschienen ist, ist eher simpel: Es passiert nichts! Sämtliche Studenten an der Uni dümpeln so vor sich hin, niemand trägt ein erwähnenswertes Outfit oder turtelt erwähnenswerterweise. Auch mir unbekannte Leute - oder Personen des öffentlichen Lebens - lassen sich zur Zeit nichts zuschulden kommen (Ausnahme vielleicht der eine oder andere "Oh-mein-Gott-hast-du-DIESE-Leggings-gesehen?-BEÄNGSTIGEND!"-Vorfall, speziell sei der mit meiner werten Freundin H. beim shoppen erwähnt.) Und ich werde den Teufel tun und hier mein Privatleben breittreten, auch wenn gesagt sei, dass es zur Zeit durchgehend positiv verläuft. Und das ist noch deutlich untertrieben.

Kommilitone Unbekannt zog allerdings heute - von ihm vermutlich unbemerkt - meinen Abscheu auf sich. Selbstbräuner KANN eine feine Sache sein, wenngleich ich absolut kein Fan bin. Aber dezent aufgetragen, vorher gepeelt und so weiter und so weiter... Wenn jetzt jedoch besagter Typ, sich augenscheinlich gut fühlend, allen Ernstes mit dem Teint einer reifen Orange (sehen unreife eigentlich anders aus...?) UND noch dazu blondierten Spitzen (BLONDIERTEN!!! SPITZEN!!!) herumrennt, dann ist mein Glauben an das männliche Stilbewusstsein arg erschüttert.


Orange

Selbstbräuner


Studentin C. (eigentlich kenne ich ihren Namen nicht, aber sie hatte vor sich eine Flasche "Contrex"-Wasser stehen, dessen Benennung mich immer an Verhütungsmittel denken lässt) zeigte sich heute im "Introduction to U.S. Law"-Seminar sehr ungehalten über die verschiedentliche Benutzung zweier Stiftfarben. Die Dozentin, Professor F. aus NYC, merkte nach geraumer Zeit an, dass die Farben völlig willkürlich gewählt seien. C., entrüstet: "Das hätte sie jetzt auch echt mal früher sagen können!". Man hätte es sich anhand der Willkür auch denken können. Aber so viel zu "Mädchen studieren nicht, sie malen aus und unterstreichen".


Dorian Gray:
- hört ständig die Tom-Ford-Jeans für € 599 nach ihm rufen
- hat letzte Woche das erste Mal im Leben Apfelkuchen gebacken
- kann keine Totenköpfe mehr sehen (2005 ist endgültig vorbei!)

Donnerstag, 23. April 2009

Die erste Überschrift sollte ein absoluter Magnet sein.

Bevor mich die Produzenten von "Gossip Girl" verklagen: ich habe die Serie nicht gesehen. Hätte ich gern. Aber mal ehrlich, wer hat Samstagnachmittags nichts Besseres zu tun, als fernzusehen? (Na gut, wer aus der ZIELGRUPPE der Serie...)
Wie auch immer, das Bloggen war M.s Idee. Und Hamburg bietet tatsächlich ausreichend Anlässe, sinnlose Unterhaltsamkeiten durchs Internet zu pusten. Auch wenn bloggen seit mindestens anderthalb Jahren schon durch die schiere Fülle an Mitteilsamen wieder out ist,: für Twitter bin ich zu altmodisch. Auch, wenn ich gelegentlich twittereske Massen-SMS versende. Hier komme ich auch zum Anfang zurück: eine ebensolche Kurzmitteilung, versandt an meine oben erwähnte Mitstudentin M. war Stein des Anstoßes.

Ich saß beim Juristen-Balzac (für alle Nic
ht-Hamburger: "Balzac"=Starbucks, 40 Cent billiger; "Juristen"= an der Rothenbaumchaussee gelegen, wo sich die juristische Fakultät breitmacht. Übrigens ist der Juristen-Balzac der Hamburger Coffee-Shop, bei dem Germany's Nicht-Next-Topmodel Tessa "du-hast-meine-Frisur-geklaut" B. Geschirr abräumt und Toiletten säubert.) und M. aus meinem Semester -

Exkurs: wenn ich den jetzt auch "M" nenne, kommt man durcheinander. Aber er heißt nunmal so. Jedenfalls nicht zu verwechseln mit M., weiblich (siehe oben.)

Also
M., männlich, traf sich mit P. zum braven Lernen. Immer, wenn ich die beiden sehe, bin ich leicht befremdet und frage mich, ob ich genauso ein Klischee-Jurastudent bin. (Vom Aussehen her: ja. Mein Kragen steht. An den Füßen Segelschuhe. Allerdings fehlt mir, im Gegensatz zu M., der Schmiss. Ich lasse mir doch nicht das Gesicht verschandeln... Und Studentenverbindungen haben so etwas scientologisch-unheimliches.)
M. und P. schüttelten sich rund zwei Min
uten die Hand, wie Politiker bei einem Fototermin. Sie scheinen sich wirklich sehr lieb zu haben, aber das merkt man schon seit dem ersten Semester...

Erst, als sie sich setzten, fiel mir auf, dass M. unter Geschmacksverirrung litt. Ich bin ja FÜR Männertaschen (Weekender, bitte, nichts kleineres. Keine DJ-Taschen, keine Messenger-Bags, keine, um Gottes Willen
KEINE Handgelenks- oder Bauchtaschen!!), aber M. stolziert neuerdings mit einem Longchamp-Täschchen umher. Die "Pliage" ist schon in Paris bei Herren grenzwertig. Aber HIER? Sie mag ja groß und praktisch sein, aber BITTE... Hier laufen die JuristINNEN so herum - und das zuhauf. P.s geschmacklose La-Martina-Zipper-Strickjacke bedarf keiner weiteren Erwähnung.


Dorian Gray:
- hat heute seine zweite Vorlesung geschwänzt
- mag Käse nur auf Pizza
- sein letztes Faschingskostüm war "Karl Lagerfeld".