Donnerstag, 18. Juni 2009

Anzüglichkeiten

Ich gebe es ja zu, diese Seite verkommt immer mehr zu einem Mode-Blog - genau genommen war sie nie etwas anderes, wenngleich nicht so geplant. (was den Inhalt dieses Blogs angeht, sei auch noch auf die Kommentar-Diskussion des vorherigen Posts verwiesen.) Allerdings treibe ich mich momentan auch zu wenig an der Uni herum, als dass ich aktuelles Geschehen aufsaugen und anprangern könnte.
Heute jedoch bin ich tatsächlich da gewesen; die Gedanken, die zu diesem Post führten, kamen allerdings erst bei der Rückfahrt mit der S-Bahn auf. Ich teilte mir mein Sitzcarré mit zwei Männern, die auf ihren Visitenkarten vermutlich irgendwo das Wort "Manager" untergebracht haben (mit möglichst vielen englischsprachigen Ergänzungen davor). Dass sie wichtig sein wollten, machten nicht nur die beiden durchgehend konsultierten Blackberrys, sondern auch ihre Gespräche deutlich. Ein Auszug:

A: "Also, India ist dann praktisch das managing committee und Germany das, äh, ausführende committee."
B (tadelnd): "Du meinst das executing?"
A: "Genau, ja."

Bitte kein Fremdwort auslassen, wenn möglich. Was jedoch meinen Unmut auf die Spitze trieb, war ihre Arbeitskleidung.
Wer sagt, dass ein Mann im Anzug immer gut angezogen ist, der hat recht. Wer aber vergisst zu erwähnen, dass auch für einen Anzug gewisse modische Regeln gelten, dem sollte verboten werden, seine Meinung zu Anzügen kundzutun.
Die beiden Männer jedenfalls hatten, wie leider so viele Anzugträger, so einiges falschgemacht. Beide trugen sie anthrazitfarbene Anzüge (prinzipiell gut) mit dicken, weißen Nadelstreifen darauf, die einem Zebrastreifen zur Ehre gereicht hätten (schlecht, sehr schlecht). Der dickere von ihnen hatte es nicht geschafft, seine Krawatte so zu binden, dass sie bis zum Hosenbund reichte; bei dem grausamen beige-braunen Drogeneinfluss-Muster des Binders war dieser Umstand allerdings auch schon unerheblich.
Der große, schlanke, dessen Anzug in etwa so gut saß wie ein hawaiianischer Muumuu (es muss ja nicht gleich maßgeschneidert sein. Aber Passform gibt es auch von der Stange, wenn man seine Größe kennt), komplettierte die optische Grausamkeit mit Schuhen, die von Form und modischem Chic her an die Kartons erinnerten, in denen Schuhe für gewöhnlich verkauft werden.

Achtung: wenn Ihre Schuhe in irgendeiner Weise als "eckig" oder "kantig" bezeichnet werden könnten, oder Ihr mathematisch begeisterter Freund interessiert die spannenden Winkel daran ausmisst, bitte ausmustern! Die Spitze eines Schuhs sollte außerdem gerade NICHT spitz sein, sondern rund.

Mehr als konsequent war es jedenfalls, dass sich die beiden Herren für die Kombination eines braunen Gürtels zu schwarzen Schuhen entschieden hatten. Ich verkroch mich, gedanklich weinend, hinter meiner Tom-Ford-Sonnenbrille. Und lauschte weiter den Schilderungen zur Lage des managing directors im fernen India, dem gerade noch vom Blackberry die letzte Mail zum Thema wasweißich geforwarded werden musste.


Dorian Gray:
- hat am Wochenende anderthalb Stunden in der Notaufnahme verbracht, ohne männlich-vorweisbares Ergebnis
- steht dem Hamburger Sommer mit äußerstem Misstrauen gegenüber
- sieht sich jetzt schon wieder Unsummen beim anlaufenden summer sale ausgeben

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