Mittwoch, 13. Juli 2011

Blockwart

Hamburgs Himmel beweist am heutigen Tag wieder einmal, dass der Ausdruck "Sommer" Interpretationssache ist - und das Auge sehnt sich nach einer Ablenkung von der tristen grauen Wolkendecke über der Hansestadt. So meint man zumindest. Doch - und diese Kritik mag aus einer durchaus unerwarteten Richtung kommen - ich kann keine Farben mehr sehen.

Meine geneigten Leser mögen mich nicht falsch verstehen; ja, mein Auge ist durchaus noch fähig, Farbspektren wahrzunehmen und zu unterscheiden - und auch gegen einen bunten Blickfang in Outfits habe ich nichts einzuwenden (für diejenigen, die mich kennen, dürfte letzteres nicht weiter verwunderlich sein). Doch das für diesen Sommer in sämtlichen Frauen- und Männerzeitschriften durchexerzierte Thema des "Colorblockings" ist zu einer Unsitte geraten, der die pseudo-öffentliche Anprangerung dieses Blogs gebührt.


Colorblocking in Reinkultur.
Quelle: http://politicsandfashionshi.blogspot.com

Besucht man die einschlägigen größeren Modehäuser, so schweift der Blick über die einzelnen Kollektionen... und plötzlich, schaut man in eine Ecke, sieht es aus, als habe sich ein fundamentalistischer Clown in die Luft gesprengt. Sämtliche existierende Knallfarben sind hier auf drei, vier Regalen oder Verkaufstischen versammelt. Natürlich sind auch im Rest des Ladens da und dort einige Teile in strahlenden Farben vertreten, doch hier, in der Colorblocking-Sektion, sind sie alle auf einmal zu finden. Und nicht nur das: der Käufer hat sie auch in der hier angebotenen Kombination anzuziehen. Ja, Colorblocking ist Totalitarismus: ganz oder gar nicht. Bevorzugt scheint momentan pink mit orange, mit einem Schuss blau oder grün zu sein.

Es ist ja nicht so, dass der Autor dieser Zeilen nicht einst auch mitgemacht hätte. Pink/grün oder orange/blau, um kurz zurückzublicken. Doch überschreitet man die Anzahl von zwei Farben in einem Outfit, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, so auszusehen, als hätte ein Kind seine Knete gegessen und wieder von sich gegeben. Kaum ein Colorblocker schafft den Balanceakt zwischen floral anmutendem Sommeroutfit und der Lächerlichkeit. Deswegen der inständige Appell: die Knallfarben auf jeden Fall aufbewahren. Doch es empfiehlt sich die Kombination mit so schönen Farben und Nichtfarben wie navyblau, weiß, schwarz, grau oder beige.

Ein kurzer Gruß ergeht noch an den Herren mit der Mümmelmannsberg-Attitüde, der sich mit seinen Gangster-Freunden jüngst in der U-Bahn über meine rosa Hose mokierte: wer aussieht wie das Fernseh-Testbild, den kann ich einfach nicht ernst nehmen. Er möge also seine roten Cargo-Shorts und sein grün-blau-gelb kariertes (!!!) Hemd wieder gegen G-Star-Jeans und ein Tanktop tauschen. Vielleicht blicke ich ihm dann aus Respekt nicht mehr in die Augen - und nicht aufgrund der Tatsache, dass ich mir ein Lachen verkneifen muss.


Dorian Gray:
- ist äußerst neidisch auf S. und S., dass sie auf der Fashion Week waren
- möchte im neuen "Hackett"-Store einziehen
- kann aus verständlichen Gründen Rihannas "California King Bed" nicht mehr hören

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