Samstag, 19. Juni 2010

Short stories

Es ist Sommer (zumindest dem Kalender nach).

Es ist Sommer, es ist WM und deswegen ist für einen sehr engen Zeitraum das Tragen von Fußballtrikots abseits des Platzes in Ordnung.

Es ist Sommer, Deutschland siegt 4:0 (das Serbien-Spiel lassen wir mal außen vor) und deshalb bleibt auch die Tatsache unkommentiert, dass der Bundestrainer seine makellosen weißen Strenesse-Hemden gegen ein blaues Langarm-Schlafanzugoberteil eingetauscht hat.

Es ist Sommer und die kurze Hose ist natürlich wieder da. Und die Männer dieser Hansestadt sollten dringend für eisige Temperaturen beten, damit sie bloß wieder zu langen Jeans zurückkehren können. Denn bei Shorts wird falsch gemacht, was falsch gemacht werden kann.

Am Mittwoch war ich bei perfektem Wetter mit M. in der Innenstadt unterwegs. Jeder Hamburger versuchte, so viel nackte Haut wie möglich der Sonne auszusetzen - mit Erfolg, doch nicht gerade mit den vorteilhaftesten Outfits. M. und ich hatten es uns gerade mit "to gos" am Jungfernstieg bequem gemacht, als ein Mann vorbeilief, dem ich an dieser Stelle höchstpersönlich die Schuld an meiner anschließenden schlechten Laune gebe.

Er trug - klar - kurze Hosen und stand exemplarisch für alle Männer, denen das Tragen kurzer Hosen unter Androhung strengster Sanktionen verboten werden sollte. Seine schlammgrün-karierten "Shorts", sofern man sie noch so bezeichnen kann, endeten auf halber Höhe des Schienenbeins. Ins Bündchen am Bein war ein "praktischer" Gummizug eingearbeitet, der die blassen, spindeldürren Waden des Mannes auf äußerst ungesund aussehende Weise abschnürte. Von den Verschlüssen des Gummizuges standen zu den Seiten dicke, schwarze Nylonstränge ab, so dass es wirkte, als hätte sich Ungeziefer mit langen Fühlern in den Beinen seiner Hose versteckt.
Geschätzte zehn Zentimeter unterhalb der Hose begannen dann seine anthrazitfarbenen Sportsocken (Adidas, die drei Streifen deutlich weiß hervorgehoben), welche wiederum in dunkelbraunen Lacoste-Ledersneakers mit Klettverschluss steckten. Um sein Markenbewusstsein weiter zu demonstrieren, trug der Herr zu diesem Ensemble ein hellblaues La-Martina-Hemd mit überdimensionierten Pferde-Applikationen darauf (natürlich lässig aus der Hose hängend).
Allein für diese Zusammenstellung hätte ich ihn gern mit Fackeln und Mistgabeln über die Stadtgrenze getrieben, doch es war dieses "Ding", das seine Beine bedeckte, was mich wünschen ließ, viel Rum in meinem Kaffee zu haben.

"Traurige Ausnahme", mag der geneigte Leser jetzt denken - doch dem ist keinesfalls so. Tatsächlich scheinen beunruhigend viele Männer zu glauben, dass es ihnen eine gewisse Surfer-Lässigkeit verleiht, wenn ihre Shorts unterhalb des Knies enden (was Möchtegern-Surfer angeht, habe ich ja bereits zu Badehosen meine Meinung gesagt). Dieser Look sorgt einzig dafür, dass die Beine lächerlich kurz aussehen - jeder korpulente Mann wirkt noch gedrungener, die Dünnen sehen noch verlorener in ihren Outfits aus. Und um auch an den rationalen Verstand modisch desinteressierter Herren zu appellieren: welchen Vorteil bringt diese unvorteilhalfte Länge? Möchte man nicht eher mehr Bein zeigen, damit man auch mehr Haut bräunen kann?

Deshalb hier nochmals die oberste Regel, die weit vor Farben, Formen, überflüssigen Taschen oder dem Rest des Outfits beachtet werden muss: kurze Hosen müssen - genau - kurz sein. Das Knie ist die, vom Körper praktischerweise vorgegebene, natürliche Grenze für die Länge von Shorts. Nicht wirklich schwer zu merken. Und noch ein Tipp, was Socken zu kurzen Hosen angeht: einfach nicht tragen (zumindest nicht sichtbar). Schon gar keine Sportsocken. Es sei denn, bei dem Sport handelt es sich um Croquet, bei den Socken um karierte Kniestrümpfe - und bei dem Träger um einen Vertreter der englischen Oberschicht.



Dorian Gray:
- trauert seinen patinierten Segelschuhen nach
- vertraut bei der WM keinem Favoriten mehr
- leidet seit Tagen an einem "Baby Baby Baby"-Ohrwurm