Donnerstag, 10. September 2009

Gentleman, Questioning

Ich bin zurück von einer Woche Urlaub im stilfreien Raum - wo aber immerhin die Sonne schien. Diesem Urlaub einen Post zu widmen, halte ich für überflüssig und unproduktiv, denn schließlich bin ich sogar mit der Erwartung dorthin gefahren, in der Modehölle zu landen. Der Ausspruch meines mitreisenden Freundes B. beschreibt die dortigen Umstände am Besten: "Man hat noch mehr als sonst das Bedürfnis, sich gut anzuziehen." Anders gesagt: All inklusive (sic!) in Osteuropa, mit Speedos, gefälschten Ed-Hardy-T-Shirts (schon im Original eine Zumutung) und sonnengerösteten Fettschürzen, die dem Träger eine Intimbereichsreinigung ohne Zuhilfenahme von Spiegeln und einer Teleskopstange unmöglich machen.

Jeder mit durchschnittlich entwickeltem Schambewusstsein ausgestattete Mensch sollte sich also im Klaren darüber sein, dass sämtliche dort erspähte Stilsünden niemals passieren dürfen und es erübrigt sich für mich, darüber aufzuklären. Alle anderen mögen es bitte unterlassen, meinen Blog zu lesen.

Am Dienstag bin ich nun also von besagter Reise zurückgekehrt. Es war sogar eine Wohltat, "normal" angezogene Menschen zu sehen; umso mehr freute ich mich daher auf die Herbst/Winter-Ausgabe der GQ Style, die jüngst erschienen war. Gleich am nächsten Tag wechselte ein Exemplar in meinen Besitz und ich fuhr in freudiger Erwartung von "168 Fashion Trends für den Mann" (Titel) nach Hause. Die Vorstellung: mindestens zwei Stunden bekomme ich wässrige Augen ob der schönsten Anzüge, Mäntel und Pullover der Saison. Die Realität: auf 380 Seiten findet sich genau ein Teil, für das ich eine Hypothek auf mein nicht vorhandenes Haus aufnehmen würde (Diese wäre auch nötig - natürlich ist das Dinnerjacket ausgerechnet von Tom Ford).
Ansonsten: nichts. Mit Inbrunst und vollem Ernst werden da über vier Seiten die künstlerisch sicherlich wertvollen, aber definitiv untragbaren Looks von Gareth Pugh und Rick Owens gepriesen, eine Jockeymütze von Lanvin steht für das Nonplusultra der winterlichen Kopfbedeckung und die Etro-Jacke, in der unser geliebter Star-Wars-Chewbacca seine letzte Ruhe gefunden hat, wird "gekonnt" mit Neil-Barrett-Leggings (!!!) in Szene gesetzt.

"Das liegt doch wohl an den Designern", mag der geneigte Leser denken, "nicht an der Zeitschrift." Sicher, dieser Schluss liegt nahe. Doch wenn man sich mal andere Teile aus den Kollektionen via Internet herauspickt, zeigt sich, dass es, wie eigentlich jedes Jahr, die untragbaren und die tragbaren Teile gibt. Warum muss es die Plastikhose von Kostas Murkudis sein und nicht die feuerrote Bundfaltenhose? Weshalb das Bondage-Oberteil von Givenchy und nicht einer der vielen grandiosen Anzüge? Wieso ein Kilt (mehrmals) und nicht... wieso überhaupt ein Kilt? (Der hat das Attribut "skandalös" ohnehin schon lange, lange verloren und ist einfach nur noch witzlos.)

Sicher, auch die "Gentlemen's Quarterly" möchte keine 08/15-Mode zeigen und pickt sich deshalb die extravaganteren Schmuckstücke der Designer heraus. Doch Tatsache ist, dass auch die Designer kaum erwarten, dass man ein mit Samt überzogenes Gestell (ja, Gestell, und zwar für den Kopf) auf offener Straße trägt. Es ist okay, solche Teile zu zeigen und ihr innovatives Dasein zu bewundern. Es ist nicht okay, sie unter der Maxime "Trends der Saison" an den Mann bringen zu wollen.

Wenn dann auch noch in gleich zwei Interviews die Aussagen vorkommen, dass "Mode eigentlich egal ist", bzw. "immer das aus dem Kleiderschrank geholt [wird], was zuoberst liegt" (in einer MODEZEITSCHRIFT!!), dann ist erstens Josh Hartnett das Geld nicht wert, das er für das erste Interview bekommen hat und zweitens sollte der verantwortliche Redakteur gezwungen werden, mit dem van-Beirendonck-Gestell auf dem Kopf herumzulaufen, wenn er solche Leute für die Zeitschrift rekrutiert. ("Hey, wir können Josh Hartnett bekommen, Pearl Harbor und so, den packen wir auch gleich aufs Cover, den kennt man, das regt zum Kauf an." - "Der macht sich eigentlich gar nichts aus Mode." - "Ist egal, sucht ihm was Schönes aus dem Archiv, zupft ihm bloß nicht die Augenbrauen und macht ein paar bedeutungsschwangere schwarzweiß-Bilder.")

So, meine Enttäuschung ist niedergeschrieben, die 6,80 € (das wären immerhin zwei Kaffeeverschnitte bei Balzac!) sehe ich nicht wieder und allen, die die GQ noch nicht gekauft haben, empfehle ich stattdessen die Vogue International Hommes (wahrscheinlich bleibe ich trotzdem Persona non grata bei Condé Nast, die natürlich jedes meiner Worte verschlingen) für unverschämte 12,50 €. Hier sind eher langweilige Stücke drin. Aber die Models sehen um Längen besser aus.


Dorian Gray:
- wird seine Posts künftig nur noch von seinem oh-so-tollen neuen Handy unterwegs schreiben
- freut sich darauf, bald wieder die Wintergarderobe zu tragen
- kann es kaum erwarten, den neuen Ralph-Lauren-Shop von innen zu sehen

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